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"Import aus München" schlägt "Arroganz der Macht"
Ingolstädter Oberbürgermeister-Stichwahl 2020
Ein Wahlkampf mit einigen markigen Schlagworten fand gestern ein Ende. Der neue Oberbürgermeister der Stadt Ingolstadt heißt Christian Scharpf.
Am 29. März zeigte sich: die Corona-Krise, wie von einigen Medien und Bürgern gemutmaßt, war für Christian Lösel nicht der entscheidende Faktor in der Stichwahl um das Amt des Ingolstädter Oberbürgermeisters. Zu groß waren die Verfehlungen seines Vorgängers, zu groß der Imageschaden für die CSU. Zu groß aber auch eigener hausgemachter Schaden durch fragwürdige Entscheidungen – u.a. in der Sache Peter-Steuart-Haus. „Arroganz der Macht“ nannte es die SPD. Lösels Herausforderer Christian Scharpf profitierte ohne jeden Zweifel davon, „unbelastet“ in diesen Wahlkampf gehen zu können. Das versuchte Brandmarken als „Import aus München“ kam Christian Scharpf da nur gelegen. Nicht zuletzt konnte er ein breites Bündnis aus Grünen, BGI, ÖDP, UDI und Linken hinter sich vereinen. Unterstützung, die Christian Lösel vollends versagt blieb.
„Höhepunkt meiner politischen Karriere“
Das vorläufige amtliche Endergebnis lautet: Christian Scharpf (59,28 Prozent), Christian Lösel (40,72 Prozent). Dass das Ergebnis so deutlich ausfällt, hätte man selbst bei der SPD nicht vermutet. „Wir hätten gedacht, dass es knapper wird“, sagt SPD-Kreisvorsitzender Christian De Lapuente gegenüber espresso. „Jetzt sind wir aber natürlich stolz und froh.“ SPD-Stadtrat Achim Werner legte noch einen drauf: „Das ist der Höhepunkt meiner politischen Karriere“, freut er sich. Vor acht Jahren habe er mit Christian Scharpf das erste Gespräch darüber geführt, ob dieser sich nicht eine OB-Kandidatur in Ingolstadt vorstellen könne. „Christian Ude holt sich nur die Besten in seine unmittelbare Umgebung“, sagt Werner. Also ist Scharpf natürlich auch was für Ingolstadt.
„Ausgezeichnet“ gehe es ihm, antwortet uns Christian Scharpf, nachdem wir ihn nach der offiziellen Bekanntgabe des vorläufigen Ergebnisses befragen. Da hatte sich die erste Anspannung schon ein wenig gelegt. Als Scharpf etwa eine dreiviertel Stunde zuvor in den Großen Sitzungssaal des Rathauses kam, stürmte eine Horde von Maskenmännern und -frauen mit Kameras auf ihn zu, als er noch im Türrahmen stand. Das war auch sicher für Scharpf ein surreales Szenario. Das Ergebnis an sich habe seine „Erwartungen übertroffen“. Bei seinem Vorgänger Christian Lösel bedankte er sich ausdrücklich für dessen Angebot, in der Corona-Krise für einen reibungslosen Übergang zu sorgen. „Dank und Respekt“ gebührten Lösel dafür. Bereits am Montag werden die beiden am selben Tisch sitzen.
Nach einem hitzigen Wahlkampf heißt es jetzt: Zusammenarbeit. Der Stadtrat ist mit 11 Parteien und Wählergemeinschaften zerklüftet wie nie. Die Parteien müssen zwangsläufig wieder aufeinander zugehen. Ob das gelingt, wird sich zeigen. Sicher ist bislang nur: am Ruder steht jetzt ein Neuer. Christian Scharpf.