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Umgenäht: Mundschutz statt Autositz

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Umgenäht: Mundschutz statt Autositz

Stylische Mundschutzmasken für Kinder und Erwachsene

Ortstermin in Großmehring. Ein eigentlich auf Automobilsitzentwicklung spezialisiertes Unternehmen hat kurzerhand seine Produktion auf Mundschutzmasken umgestellt. „Für uns ist das alles neu“, sagt Samuel Depperschmidt, Geschäftsführer der Trim GmbH. Fast neu zumindest, denn mit Nähmaschinen weiß man hier durchaus umzugehen. Auch wenn es sich hier sonst eher um Sitzbezüge im Vorserien- und Prototypenbereich handelt.

Doch statt Sitzbezügen nähen Depperschmidts Mitarbeiterinnen derzeit eben nur eines: Mundschutzmasken. Noch vor wenigen Wochen hieß es von offizieller Seite, diese seien nicht nötig. Doch seit wenigen Tagen wird das Tragen eines Mundschutzes ausdrücklich empfohlen. In Österreichs Supermärkten muss künftig sogar Mund- und Nasenschutz getragen werden. Die Stadt Jena hat eine Tragepflicht ebenfalls bereits angekündigt. Auch wenn Ministerpräsident Markus Söder dies für Bayern noch nicht in Erwägung zieht, bei unserem Ortstermin in Großmehring mit Geschäftsführer Samuel Depperschmidt, seiner Frau Kirstin (verantwortlich für Finanzen/Controlling) und Rosalie Angort vom Kosmetikinstitut Jungbrunnen sind sich alle einig: auch Bayern steht eine Mundschutzpflicht bevor.

Samuel Depperschmidt, Kirstin Depperschmidt und Rosalie Angort mit...
...und ohne Mundschutzmaske.

Aus der Not eine Tugend gemacht

Rosalie Angort ist nicht zufällig bei diesem Termin dabei. Sie hat die ganze Sache quasi angestoßen. Denn bereits einige Tage bevor auch sie ihr Kosmetikinstitut in Vohburg vorübergehend schließen musste, war es bereits sehr schwer, an Mundschutzmasken heranzukommen. „Im Institut, wo wir face-to-face arbeiten, ist dieser Schutz natürlich besonders wichtig“, sagt sie. Über einen privaten Gruppenchat war der Weg zur Trim GmbH dann nur noch ein kurzer. „Bereits am nächsten Tag nach meiner Anfrage ging die Produktion los“, sagt Rosalie Angort. Das sei eine „riesengroße Hilfe“ gewesen, „da wir im Beauty-Bereich arbeiten, bieten sich solche schönen Masken natürlich besonders an.“ Tatsächlich heben sich die Masken aus 100% Baumwolle durch ihre farbigen Stoffe sehr wohltuend von den sonst meist tristen weißen Masken ab. Ein weiterer Vorteil: „Sie sind auch für Brillenträger hervorragend geeignet. Ich hatte oft das Problem, dass die Brille anlief, das habe ich hier nicht.“

Rosalie Angort wird die Mundschutzmasken der Trim GmbH künftig auch in ihrem Kosmetikinstitut Jungbrunnen in Vohburg an ihre KundInnen verteilen.
Der Mundschutz ist auch für Kinder erhältlich.

Übung macht den Meister

„Es ist nicht mehr einfach an Material zu kommen, aber wir haben es geschafft. Wir sind erstmal gut versorgt“, sagt Samuel Depperschmidt. Der aktuelle Bestand reicht für rund 10.000 Masken. Täglich können bis zu 800 Stück produziert werden. Natürlich müssen auch die Näherinnen „das Produkt erst lernen“, wie es der Chef der Trim GmbH ausdrückt. Übung macht den Meister. Je mehr Masken genäht werden, desto schneller geht es. Künftig sollen weitere Mitarbeiter an den Masken arbeiten, die Produktion erhöht werden. Auch das Großmehringer Unternehmen blieb vor Kurzarbeit nicht verschont.

Um die Auswirkungen der Kurzarbeit für die Mitarbeiter abzufedern, entschloss man sich – nach der anfänglichen Maskenherstellung für das Kosmetikinstitut Jungbrunnen – bei der Produktion zu bleiben. Mit Erfolg: am Dienstag dieser Woche bestellte die Gemeinde Großmehring 2.000 Stück. „Wir müssen unsere Mitarbeiter schützen“, sagt Depperschmidt. Man merkt, dass ihm dieser Punkt extrem wichtig ist. Er meint den Schutz der Arbeitsplätze. „Wir haben die Arbeitszeiten flexibel angepasst“, erklärt seine Frau Kirstin. Heißt: die Mitarbeiter können in der Zeit von 6 bis 22 Uhr arbeiten – je nachdem wie z.B. eine Kinderbetreuung organisiert werden kann.

Bestellen per Online-Shop

Der Mundschutz ist über einen Online-Shop zu erwerben – es gibt Masken für Erwachsene und für Kinder. Eine Maske kostet 14,90 Euro zzgl. Versand (ab 10 Stück 11,90). Wer jetzt denkt, hier wird der große Reibach gemacht, irrt. „Den Online-Shop haben wir erstellt, um die Bürger zu erreichen – leider gehen die Portogebühren zu Lasten der Kunden und die Paypal-Gebühren zu unseren Lasten, da wir nicht direkt verkaufen dürfen“, sagt Kirstin Depperschmidt. Ihr Mann ergänzt: „Wir verkaufen zum Selbstkostenpreis.“ Die Selbstkosten pro Maske liegen bei 11,90 Euro brutto, also dem Stückpreis ab 10 verkauften Masken. Gewinn mache man damit nicht. „Wir würden uns wünschen, dass der Bürger ohne die zusätzlichen Kosten unsere Masken kaufen könnte, jedoch haben wir bisher keinen Weg gefunden wie das funktionieren könnte.“ Denkbar wären neue Vertriebswege über Einzelhandel, Bäckereien oder Apotheken.

„Wenn die Selbstkosten gedeckt sind, denken wir in Richtung soziales Engagement“, sagt der Trim-Chef. Die Materialien der Maske sind aus Westeuropa, die Produktion findet komplett in Großmehring statt. „Das ist nunmal teurer als die Herstellung in China.“ Die Masken sind angenehmen zu tragen und haben im Nasenbereich einen kleinen Metallbügel, den man für besseren Halt an die Nase anpassen kann. Die Gummizüge sind individuell einstellbar. Die Masken sind beliebig oft bei 95 Grad waschbar. Sie sind zweilagig genäht und können mit einem zusätzlichen Filter ausgestattet werden.

Welchen Schutz bieten die Masken?

Wichtig ist zu erwähnen, dass keine Schutzklasse FFP2 oder FFP3 besteht. Doch selbst ohne kann eine Maske helfen. Die Stadt Ingolstadt ließ diese Woche verlauten: „Zwar garantieren diese Masken keinen 100-prozentigen Schutz, aber sie verringern das Risiko, andere anzustecken oder selbst angesteckt zu werden. Zum einen, weil durch den Stoff zumindest ein Teil des Speichels, der automatisch beim Sprechen fein in der Luft verteilt wird, abgefangen wird. Zum anderen stellt man fest, dass sich Menschen, die eine Maske tragen, weniger häufig ins Gesicht fassen. Unabhängig von der medizinischen Wirksamkeit können die Masken auch einen psychologischen Effekt haben: tragen viele Menschen eine Maske, hat das eine Signalwirkung auf diejenigen, die bislang den Ernst der Lage unterschätzen.“

Weitere Informationen zur Trim GmbH, die an zwei Standorten rund 25 Mitarbeiter beschäftigt und eigentlich hochwertige Sitzbezüge für den Automobilsektor herstellt, gibt es hier.

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