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Land der unendlichen Weiten
Ein Vater-Tochter-Trip durch die Mongolei
“In die Südsee kann ich auch noch mit 95”, dachte sich Günter Baumeister (65), als er seine abenteuerliche Reise in die Mongolei mit seiner Tochter Lena (27) aufnahm. Weil Lena ihren Freund nicht für eine Reise mit dem Rucksack begeistern konnte, sprang prompt der junggebliebene Papa ein. Und der Rentner schwärmt noch immer von unendlichen Weiten:
“Da glaubst du, die Milchstraße fällt dir auf den Kopf.”
Die Begriffe Freiheit und Abenteuer treffen wohl auf kein Land so zu wie auf die Mongolei. Die Mongolei grenzt an China und Russland und ist für ihre Nomadenkultur bekannt. Kaum ein Land auf unserem Erdball ist dünner besiedelt. 1,7 Einwohner pro Quadratkilometer leben auf einer Landfläche von rund 1.5 Millionen Quadratkilometern. Im Vergleich zu Deutschland ist die Mongolei knapp fünfmal so groß. Die Währung der Mongolen nennt sich Tugrik, doch auch über Dollar und Russische Rubel freut man sich hier.
Die Reise der beiden Ingolstädter beginnt in München. Mit airoflot geht es über Moskau nach Ulan Bator, der mongolischen Hauptstadt. “Hier herrscht chaotischer Megaverkehr. Es stinkt nach Abgasen,” erinnert sich Baumi. So nennen ihn seine Freunde. “Lieber nicht selber fahren”, empfiehlt er. Die Verkehrspolizisten pfeifen permanent. Das alles empfindet er als anstrengend. Die verspiegelten Hochhäuser im Zentrum hingegen imponieren ihm. Einen Besuch wert ist das Saurier Museum, der Gandan Tempel, das Zanabazar Museum, das Choijin Lama Tempel Museum und natürlich das National Museum of Mongolian History. Kulinarisch kommt man in der Großstadt ebenfalls auf seine Kosten: Russische, chinesische, indische und ebenso vegane Restaurants säumen die Straßen. Für ihre erste Bleibe haben Vater und Tochter das UB Guesthouse ausgewählt. Alles weitere wollen sie vor Ort buchen. Besitzerin Bobby empfiehlt den Backpackern sich nachts nicht allzu lange allein in der Stadt aufzuhalten – sicherheitshalber. Die touristenerfahrene Dame organisiert dem Duo auf Wunsch eine passende Rundreise für die nächsten sechs Tage – mit Fahrer versteht sich.
Mit Hunna Air fliegen Vater und Tochter von Ulan Bator nach Dalanzadgad, die Hauptstadt der Gobi-Region. Mit Nerwi, so heißt ihr erster Fahrer, geht es für die Abenteurer durch die Wüste Gobi. “Hier braucht man eher einen Kompass als ein Navi!”, meint Baumi. Fahrer Nerwi spricht kein Deutsch und kein Englisch und Günter Baumeister weder Mongolisch noch Russisch. “Wir verständigten uns also mit Händen und Füßen!”, schmunzelt er. Für sechs Tage zahlt Baumi 540 Dollar pro Person. Dafür bekommt er den Kleintransporter mit Sprit, Eintritte in Nationalparks und sechs Übernachtungen in verschiedenen Jurten, das sind die Nomadenzelte der Einheimischen. Mit im Gepäck haben die Baumeisters nicht viel, ihren Rucksack mit dem Nötigsten: Wasser zum Trinken und Waschen, WC-Papier, Snacks, Wodka als Geschenk für die Älteren, Malstifte und -bücher als Mitbringsel für die Kleinen.
Reiseapotheke? “Wir hatten Globoli für den Magen dabei – ich glaube, ohne die hätten wir es auch überstanden.”
Die folgenden Nächte verbringen die Baumeisters auf Tuchfühlung mit den Einheimischen. Schon beim Eintreten gibt es so einige Manieren zu beachten, die man als Tourist beherrschen sollte: “An der Türe darf man nicht auf die Schwelle treten oder oben die Kante berühren – das bringt Unglück”, hat Baumi gelernt. Gegessen wird zusammen mit den Gastgebern – das gehört zum Urlaubserlebnis mit dazu. Als Standardessen gibt es Nudeln, Reis, Kartoffeln, Gemüse, Schaffleisch in Schälchen und warme Kuhmilchsuppe mit Keksen. An einem anderen Tag gibt es Teigtaschen mit Schaf, gehackt, inklusive Knochen. Auch wenn es mal nicht so schmeckt, isst Baumi alles auf. “Ich wollte nicht unhöflich sein, dann esse ich eben Kekse zum Sattwerden hinterher.”
Tradition ist, dass alle gemeinsam am Boden sitzen, ohne Schuhe. Der Älteste hat es sich auf einer Couch bequem gemacht, mit nacktem Oberkörper. “Hier macht sich keiner Umstände wegen unseres Besuchs!”, lacht der Rentner. “Im Gegensatz zu uns leben die Menschen hier sehr gesund, jeden Tag an der frischen Luft, im Einklang mit der Natur und ihren Herden.”
Cheers!
„Pferdemilch ist das National-Getränk der Nomaden. Gegorene Stutenmilch schmeckt wie Kefir – säuerlich, aber richtig gut, ich hab mir nachschenken lassen!” – Günter Baumeister
Nach ihrem Aufenthalt in der Wüste Gobi geht es für Günter und Lena Baumeister zehn Tage mit dem Geländewagen und ihrem neuen Fahrer Bartha in den Norden, an die russisch-sibirische Grenze.
Als Top-Sehenswürdigkeiten empfiehlt Günter:
- Eine Fahrt nach Tsagaan Suvarge – Weißer Berg
- Das Ice Valley im Gurvan Saikhan Gebirge – Geierschlucht Yolyn Am
- Kamelreiten in den Sanddünen – Khongoryn els
- Bayanzag – red flaming cliff (Dort wurde ein komplettes Saurier-Skelett gefunden, das in Ulan Bator im Museum zu sehen ist.)
- Auch ein Besuch im Kamel Museum sowie im Heimat Museum in Dalanzadgad lohnt
10 weitere Tage geht es dann für Lena und Günter weiter nordwärts. Zunächst in die Stadt Kharkhorin. Auch Karakorum, gelegen am rechten Ufer des Flusses Orkhon und dem Nordosthang des Khangai-Gebirges, wurde im Jahre 1220 von Dschinghis Khan gegründet und entwickelte sich unter der Herrschaft seines Sohnes zur ersten Hauptstadt des mongolischen Großreiches. Dort besichtigten die Baumeisters das Kloster Erdene Zuu, eines der drei religiösen buddhistischen Zentren.
Günther Baumeister erinnert sich immer noch gerne an seine Highlights im Norden:
- Fahrt zum Nationalpark Khorgo Terkhiin Tsagan
mit Besteigung des 2000 m hohen Vulkankrater Khorgo und Übernachtung am Weissen See - Schamanensitzung in der Stadt Möron
“Es war die größte Tortur – eine 9-Stunden-Fahrt auf Pisten, aber die Landschaft ist es wert! In Möron waren wir bei einer einheimischen Schamanen-Sitzung. Da wir kein Geschenk dabei hatten, wollten sie uns zuerst gar nicht teilnehmen lassen. Pro Paar wollte die Schamanin eine “Geschenkebox” bestehend aus Kaffee, Tee, Milch, Wodka, Tabak für rund 10 Euro, dann durfte man rein. Wir waren am Boden gesessen, die Einheimischen in Tracht, eine alte Dame war die Schamanin. Es wurde getrommelt wie bei den Indianern. Einheimische haben Fragen über Glück oder Pech gestellt, sie hat geantwortet und in trance gesungen. Schamanen haben hier einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft, aber für mich war es eine Art Muppetshow! Es war so interessant, das sollte man einmal erlebt haben!” - Fahrt an den Khövsgöl See
“Die mongolische Riviera – ein Naturschutzgebiet: 134 km lang, 39 km breit und 280 m tief. Im Norden des Sees sind es noch rund 30 km bis zur russisch-sibirischen Grenze, dort haben wir drei Tage entspannt mit Reiten, Mountainbike fahren, wandern in Traumlandschaften mit üppigen Bergwäldern.” - Fahrt zum Kloster Amarbayasgalant Tempel
“Auf einer weiten Hochebene, umgeben von Gebirgszügen, mitten in der Pampa befindet sich das dritte buddhistische Zentrum in der Mongolei. Es war meine liebste Tempelanlage.”
Nach rund 3 Wochen ging es zurück nach Ulan Bator und von dort wieder in die Heimat.
Fazit?
Jeden Tag etwa 6 Stunden Autofahrt ist kein Erholungsurlaub. Er hat jedoch viel über die Menschen in der Mongolei gelernt: Die Kluft zwischen Arm und Reich ist groß. Nebst feinsten Shopzentren findet man Wellblechhütten, die Slums. Die Nomaden im Landesinneren führen ein materiell unabhängiges Leben im Einklang mit der Natur und ihren Herden, begnügen sich mit Kuhmilchsuppe, während andere aus dem selbigen Land in der Hauptstadt Abgase schnuppern und aus einer Vielfalt von Restaurantangeboten wählen.