Suche
Close this search box.

Ärztin in Zwangspause

Home » Ärztin in Zwangspause

Ärztin in Zwangspause

Foto: Adobe Stock / Argus

Maria Paula Bateman stammt aus Kolumbien und ist gerade dabei, sich ihre Ausbildung als Ärztin in Deutschland anerkennen zu lassen, um hier arbeiten zu dürfen. Eine der ersten Voraussetzungen ist der Nachweis entsprechender Deutschkenntnisse. Die Coronakrise bremst sie gerade aus, ihr Sprachkurs wurde unterbrochen. Mit espresso spricht sie über ihre Zeit in Kolumbien, ihre Ziele und die größten Unterschiede zwischen ihrer Heimat und Deutschland.

Maria Paula Bateman ist 26 Jahre alt. Die gebürtige Kolumbianerin hat in in ihrem Heimatland Medizin studiert und dort auch schon als Ärztin gearbeitet. Aktuell wohnt sie in Manching und besucht in Ingolstadt eine Sprachschule, um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern. Eine von vielen Voraussetzungen, die sie erfüllen muss, um in Deutschland ihre Approbation zu erhalten. Sie will sich hier eine Zukunft als Ärztin aufbauen.

 

Gerne würde sie in der Coronakrise helfen, ohne Arbeitserlaubnis ist das jedoch schwierig. Mit ihrem Sprachvisum ist das nicht erlaubt. In einer Facebook-Gruppe fragte sie um Rat. Das haben auch wir gesehen und uns mit ihr unterhalten.

Maria, du hast in Kolumbien Medizin studiert und dort als Ärztin gearbeitet. Erzähl uns davon.

Ich hatte früh meinen Schulabschluss, deshalb habe ich auch früh in der Universität angefangen. Ich habe mit 16 mein erstes Semester begonnen und von 2011 bis 2016 Medizin an der Privatuniversität Universidad el Bosque studiert. Die Universität ist in Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens. Im Anschluss arbeitete ich bei der kolumbianischen Luftwaffe als zivile Ärztin. In Kolumbien es ist verpflichtend ein Jahr für den Staat tätig zu sein. Anschließend arbeitete ich in einem Krankenhaus in der Notaufnahme.

Wie kam es, dass du bereits mit 16 dein Studium begonnen hast? In Deutschland ist das sehr ungewöhnlich. Ist das normal in Kolumbien?

In Kolumbien kann ein Kind ab 5 Jahren eingeschult werden. Die meisten beginnen jedoch mit 6 Jahren. Die Schulzeit beträgt insgesamt 11 Studienjahre – 5 davon an der Grundschule, 6 am Gymnasium. In Kolumbien ist es also bei guten Noten möglich, die Schule nach 11 Jahren zu beenden. Somit konnte ich mit 16 mein Studium beginnen. 16-jährige Studienkollegen waren jedoch rar, ich konnte sie an einer Hand abzählen. In meiner Familie sind alle auf die Uni gegangen. Ich habe immer davon geträumt, Ärztin zu werden. Bereits als Kind habe ich mich als Arztin verkleidet, ich fühlte mich also bereit, diesen Traum zu verfolgen. Ich war völlig bereit für die langen Tage während des Studiums und die Opfer, die oft bedeuteten, keine Zeit für ein Hobby oder Familie und Freunde zu haben, aber ich wollte so früh wie möglich meinen Teil beitragen und helfen.

Seit wann bist du in Ingolstadt und warum bist du hierher gekommen?

Ich bin seit Dezember 2019 mit einem Sprachvisum hier und wohne in Manching, mein Sprachkurs findet in Ingolstadt statt. Ich bin nach Ingolstadt bzw. Manching gekommen, weil meine Schwester hier lebt. Sie hat ihren besten Freund geheiratet, er ist Deutscher und arbeitet in Ingolstadt. Ein anderer Grund ist, dass meine Nichte hier geboren wurde – nach nur 6 Monaten Schwangerschaft. Sie war ein Frühchen. In Kolumbien hat ein Kind mit 700 Gramm fast keine Chance, deshalb war ich sehr besorgt, aber gleichzeitig fasziniert von den Möglichkeiten der Ärzte hier. Fast 3 Jahre später ist sie ein völlig gesundes Kind. Das motivierte mich mein Deutsch zu verbessern. In Kolumbien war das manchmal sehr anstrengend, da ich nach einem 24-Stunden-Dienst in der Notaufnahme jeden Tag zu meinem Deutschunterricht musste. Mein Ziel ist es hier als Kinderärztin zu arbeiten.

Wie lange geht dein Sprachvisum?

Mein aktuelles Visum geht bis Juni, d.h ingesamt 5 Monate. Es kann aber während meines Deutschkurses verlängert werden. Ich muss natürlich jeden Monat Geld auf einem Sperrkonto haben und meine Krankenversicherung bezahlen.

Aktuell wirst du von Corona ein wenig ausgebremst.

Ich liebe meine Arbeit und meinen Beruf, aus diesem Grund fühle ich mich ein bisschen machtlos, weil ich in der aktuellen Krise nichts machen kann. Ich würde gerne helfen, habe aber nur ein Sprachvisum und deshalb keine Arbeitserlaubnis. Ich versuche dafür eine Lösung zu finden. Ich wäre dankbar für jeden Ratschlag und jede Hilfe, damit auch ich helfen kann.

Wo findet der Sprachkurs statt?

Ich lerne an der IKS (Internationaler Kulturverein Sprachakademie). In Kolumbien habe ich die Niveaustufen A1 bis B1 absolviert. Dafür habe ich jeden Morgen gelernt, nachts und am Wochenende habe ich gearbeitet. Jetzt bin ich seit fast 4 Monaten hier, weil man die Sprache in Deutschland noch besser lernen kann. Der Unterricht hat mir sehr gut gefallen.

Dein Sprachkurs wurde wegen Corona unterbrochen: Wie vertreibst du dir gerade die Zeit?

Im Moment kann ich wegen der fehlenden Arbeitserlaubnis nicht arbeiten und in der Sprachschule nicht lernen, aber ich lerne immer noch alleine, schaue die Nachrichten, höre Radio, lese Zeitung und versuche, Deutsch zu sprechen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Man sollte jede Minute nutzen, es ist eine Pause, aber kein Urlaub.

Welche Voraussetzungen musst du erfüllen, damit du als Ärztin in Deutschland anerkannt wirst?

Für die Anerkennung einer ärzt­li­chen Tätig­keit in Deutsch­land ist entwe­der eine Appro­ba­tion oder eine vorübergehende Erlaub­nis notwendig. Dafür muss ich viele Dokumente einreichen. Deutsch muss man mindestens auf B2-Niveau sprechen. Wenn die Dokumente eingereicht sind und alles korrekt ist, wird einem ein Datum für die erste Prüfung mitgeteilt. Diese Prüfung heißt Fachsprachenprüfung (FSP), die u.a. Sprachkenntnisse, medizinische Fachbegriffe und die Kommunikationsfähigkeit mit Patienten bewertet. Sobald diese Prüfung bestanden ist, wird eine Berufserlaubnis für maximal 18 Monate erteilt. Während dieser Zeit kann man in dem Bundesland der Anerkennung arbeiten. Oft ist aber ein B2-Niveau nicht genug, fast alle Krankenhäuser wollen mindestens ein C1-Zertifikat sehen. Die zweite Prüfung heißt Kenntnisprüfung (KP), eine tiefere und speziellere Prüfung in Biochemie, Physiologie und anderen Fächern des Berufsstands. Wenn diese KP bestanden wird, bekommt der Arzt seine Approbation – also eine unbefristete Erlaubnis in ganz Deutschland zu arbeiten.

Worin siehst du den größten Unterschied zwischen Deutschland und deiner Heimat?

Da gibt es viele. Kolumbien ist ein wunderbares Land, mit intelligenten Menschen, die freundlich und träumerisch sind, mit allen Ressourcen, aber leider auch mit Politikern, die ihr eigenes Land ausgeblutet und bestohlen haben und vielen ihrer Bürgern die Grundbedürfnisse verweigern. Trotzdem sind wir in Kolumbien sehr glücklich, viele sagen, dass wir auch laut sind, wir lieben Musik und Tanz, wir reagieren leidenschaftlicher und sind sehr familiär. Wir sind sehr spontan und planen nicht die kleinen Dinge. Wir haben fast nie einen Plan B und C. In Deutschland ist es etwas ernster,  jedes Detail und jede Minute ist meist geplant. Anfangs fällt es schwer, sich anzupassen. In Kolumbien gibt es viel ausgeprägtere Extreme zwischen Arm und Reich.

Welche Unterschiede gibt es bei der Ausbildung?

Die Ausbildung ist ausgezeichnet, aber nicht jeder kann darauf zugreifen. Meine Universität zum Beispiel ist international akkreditiert, aber man muss jedes Semester zwischen 3. 000 und 5.000 Euro bezahlen – 10 bis 12 Semester lang. Nicht nur um Medizin oder einen anderen Beruf zu studieren, sondern auch, wenn man sich zum Beispiel auf Kindermedizin oder Innere Medizin spezialisieren will, kostet es für 8 weitere Semester nochmal so viel. Oft braucht man politische Unterstützung oder übermäßig viel Kapital, um zugelassen zu werden. Es gibt öffentliche Universitäten mit Studienbeiträgen von rund 100 bis 1000 Euro pro Semester. Davon aber nur 32 für ein Land mit 45 Millionen Einwohnern und etwa 150. 000 Schulabgängern pro Jahr. Sie nehmen im Durchschnitt nur 8 Prozent ihrer Bewerber auf.

Und im alltäglichen Leben?

Da wir uns nahe an der Äquatorlinie befinden, haben wir keine Jahreszeiten, so dass die Sonne meistens zur gleichen Zeit auf- und untergeht. Ich hatte zuvor noch nie -20 Grad Celsius gespürt, das erste Mal war sehr schön, aber auch ein bisschen unangenehm. In Kolumbien gibt es eine unglaubliche Vielfalt an Obst und Gemüse sowie viele verschiedene Straßenverkäufe. In Deutschland wird mehr geraucht und zum Essen wird oft Wasser getrunken. In Kolumbien trinkt fast niemand Wasser zum Hauptgericht, sondern frisch gepresste Fruchtsäfte. Wenn man in Kolumbien ein Treffen mit Familie oder Freunden hat, ist niemand pünktlich. Die Männer sind in Deutschland respektvoller, in Kolumbien wird einem auf der Straße auch mal etwas nachgerufen, wenn man einen Rock oder Shorts trägt.

Vielen Dank für das Gespräch.

Lorem ipsum dolor sit amet, consectetur adipiscing elit. Ut elit tellus, luctus nec ullamcorper mattis, pulvinar dapibus leo.

Nach oben scrollen