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„Ich bin begeistert von Jesus und diese Begeisterung steckt an“
Gott, Jesus und der Heilige Geist sind für Tobias Maier keine Märchenfiguren oder Wunschvorstellungen. Der 26-Jährige ist Pastor bei der noch recht jungen evangelischen Freikirche Ecclesia, die auch in Ingolstadt aktiv ist. Tobias glaubt an die Bibel als Wort Gottes, für ihn ist dieser Glaube die Grundlage seines Lebens. Mit espresso spricht er über seinen persönlichen Weg zu Gott, über die Unterschiede zwischen Freikirchen und den traditionellen Volkskirchen und verrät, warum er trotz Krisen wie der Corona-Pandemie niemals den Glauben verliert.
Tobias, dass du als Pastor arbeitest, würde man nicht auf den ersten Blick erraten. Wie hast du zum Glauben gefunden und wie wurdest du Pastor bei Ecclesia?
Meine Eltern haben mir schon als Kind viel über den Glauben an Gott erzählt und viel wichtiger: es auch in einer Art und Weise vorgelebt, die mich begeistert hat. Mit zunehmendem Alter habe ich mir dann natürlich selbst Gedanken gemacht und mir Fragen über das Leben und Gott gestellt. Neben diesem „verstandesmäßigen“ Prozess, habe ich Gott aber auch auf einer persönlichen Beziehungsebene kennengelernt. Diese bedingungslose Annahme sowie der Lebens-Sinn, den ich von Gott erlebt habe, haben mich letztendlich dazu gebracht, mich selbstständig für den Glauben zu entscheiden.
Beruflich wollte ich schon immer etwas machen, das den Menschen wirklich hilft und anhaltende Veränderung bringen kann. In mir wuchs die Überzeugung, dass ich beruflich viele Möglichkeiten hatte, die Symptome einer kaputten Gesellschaft zu behandeln, aber nur eine Möglichkeit, um an die Wurzel zu kommen: das Herz der Menschen. Und genau da setzt der christliche Glaube an. Es geht weniger um Äußerlichkeiten und Formalitäten, als um die innere Motivation, die Einstellung des Herzens. Weniger um ‚Religion‘ als um eine Beziehung zu ebendiesem Gott. Das christliche Symbol des Kreuzes besteht ja aus zwei Balken: einem horizontalen und einem vertikalen. Bevor ich jetzt anfange zu predigen, nur ganz kurz: Schuld/Sünde macht Beziehung jeglicher Art kaputt. Jesus hat durch seinen Tod am Kreuz für unsere Schuld bezahlt. Und dadurch sowohl die Beziehung zwischen Mensch und Gott (vertikal) als auch die Beziehung zwischen Mensch und Mensch (horizontal) wiederhergestellt. Darum habe ich mich dafür entschieden Pastor zu werden, um diese gute Botschaft der Versöhnung und Hoffnung den Menschen zu bringen.
Praktisch sah das so aus, dass ich nach meinem Abitur & einem FSJ für knapp vier Jahre am „Theologischen Seminar Erzhausen“ studiert habe. Nach zwei Jahren Vikariat in München und Ingolstadt wurde ich dann am 4.Oktober 2020 bei unserem Eröffnungsgottesdienst hier in Ingolstadt zum waschechten Pastor ordiniert.
Es gibt viele Arten von Glauben. An was glaubst du und die Ecclesia Kirche im Allgemeinen? Und wie unterscheidet sich euer Glauben von dem großer Kirchen?
Eigentlich schau ich lieber auf das, was uns eint, anstatt auf das, was uns trennt. Wir sind eine christliche Freikirche, sehen also auch die Bibel als Gottes Wort und unseren Maßstab an. Davon ausgehend glauben wir, dass der christliche Glaube mehr ist als nur gute Ratschläge – sondern im Kern eine gute Botschaft! Das ist ein großer Unterschied. Ein Ratschlag lässt mich mit unvollendeter Arbeit zurück und fordert mich auf besser zu sein, mich mehr anzustrengen, noch mehr zu geben. Aber die gute Botschaft der Bibel lautet: Es ist vollbracht. Jesus hat den Weg für uns geebnet. Wir müssen das nur für uns annehmen.
Ich denke diese Hauptüberzeugung stimmt mit der der großen Kirchen überein. Ansonsten finanzieren wir uns als Freikirche nicht durch Kirchensteuer sondern freiwillige Spenden und gelebte Großzügigkeit. Ein deutlicher Unterschied ist auch der Umgang mit der Taufe: Im Gegensatz zur Kindstaufe, praktizieren wir eine Glaubenstaufe. Wir taufen also nur diejenigen, die sich selbständig dazu entscheiden.
Aber nochmal: Wir sehen uns nicht als Konkurrenz zu anderen Kirchen, sondern versuchen über andere Wege die selbe Botschaft zu verkünden und Menschen diese Hoffnung zu geben.
In welchen Bereichen engagiert sich die Ecclesia Kirche?
Da wir noch voll in der Anfangsphase sind und das gesellschaftliche Leben momentan sowieso stark eingeschränkt ist, fokussieren wir uns hauptsächlich auf Gottesdienste. Uns ist es allerdings ein großes Anliegen keine „Sub-Kultur“ zu bauen, sondern als wichtiger Teil des gesellschaftlichen Lebens der Stadt verstanden zu werden. Unser Campus in Köln bietet beispielsweise schon seit längerem eine „Tafel“ an. Mal sehen, was die Zukunft da so in Ingolstadt bringt. Ich als Pastor arbeite bewusst auch als Aushilfe in einem lokalen Café, um ganz normaler Teil der Gesellschaft zu sein.
Warum ist der Glaube ein wichtiger Bestandteil deines Lebens? Was würde dir ohne Glauben im Leben fehlen?
Ich würde meinen Glauben nicht nur als Bestandteil meines Lebens bezeichnen. Sondern eher als die Grundlage dessen. Auf ihm baut mein Leben auf und er durchdringt (hoffentlich) jeden Bereich meines Lebens. Mein Glaube schenkt mir Identität, Orientierung, Halt, aus ihm schöpfe ich Kraft und Zuversicht. Also eine ganze Menge. Am meisten aber würde mir meine Beziehung zu Gott fehlen.
Kannst du Menschen verstehen, die gar nicht gläubig sind?
Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass es so jemanden gibt. Jeder Mensch „glaubt“ etwas. Selbst Menschen, die sich als Atheisten bezeichnen, haben ein Weltverständnis und eine Lebensanschauung, die sie „glauben“. Auch wenn bei ihnen kein klassischer „Gott“ vorkommt.
Und ja, volle Kanne kann ich verstehen, dass viele Menschen keinen Zugang zum Glauben haben. Die Vermittlung des Glaubens, das daraus resultierende vorherrschende Gottesbild, gewisse Zustände auf der Welt sowie die vermeintliche Unvereinbarkeit von Wissenschaft und Glaube sind alles Gründe dafür. Ich bin aber davon überzeugt, dass diejenigen, die sich wirklich mit dem Thema auseinandersetzen und sich die richtigen Fragen stellen, zu dem Schluss kommen, dass der christliche Glaube nicht bloß märchenhaftes Wunschdenken ist, sondern auch auf intellektueller Ebene die besten Antworten gibt.
Wie hilft dir dein Glaube jetzt in der schweren Zeit der Pandemie?
Während viele Menschen momentan einsam sind, bieten mir die Gottesdienste (trotz strenger Coronaregeln) und Online-Angebote unserer Kirche die Möglichkeit, weiter in einem Beziehungsnetzwerk aufgefangen zu sein. Gerade in schwierigen Zeiten habe ich bei Menschen in meiner Umgebung beobachtet, dass Gott ein Faktor ist, auf den man in jeder Lebenslage zählen kann.
Sind in der Corona-Zeit mehr Menschen auf euch zugekommen?
Ja, nein und schwer zu beantworten. Wir haben ja mitten in der Corona Zeit (Oktober) mit Gottesdiensten gestartet – so fehlt uns der Vergleich. Wir merken schon, wie mehr Menschen sich wieder nach etwas sehnen, das ihnen Halt und Perspektive gibt. Gleichzeitig halten die vorgeschriebenen Maßnahmen sowie die Sorge der Ansteckung einige davon ab in die Kirche zu gehen. Momentan besuchen in etwas 100 Menschen unseren Gottesdienst, einige davon sind Menschen die überhaupt keinen christlichen Background haben.
Warum hast du dich gegen die traditionellen Volkskirchen und für eine Freikirche entschieden?
In erster Linie habe ich mich für den christlichen Glauben entschieden. Die Art wie man Glaube auslebt spricht mich persönlich in einer Freikirche viel mehr an als in einer traditionellen.
Allerdings wäre es falsch zu behaupten, eine Freikirche hat keine Liturgie/Traditionen und eine traditionelle Kirche hat keine Freiheiten.
Deutschlandweit geht der Trend weg von den großen etablierten Kirche hin zu vielen kleinen Freikirchen. Wie erklärst du dir das?
Puh, ich kann höchstens einen Erklärungsversuch wagen.
Man könnte das sicherlich auf Äußerlichkeiten (Modernität etc.) zurückführen. Ich glaube aber, dass es ein grundlegenderes Problem gibt. Schon Augustinus (354 – 430 n. Chr.) soll gesagt haben: „In dir muss brennen, was du in anderen entzünden möchtest.“ Leider gibt es viele Pfarrer*innen und Pastor*innen, die offen von sich behaupten, dass sie nicht an Gott glauben. Das kann meines Erachtens einfach nicht funktionieren.
Nochmal, ich möchte nicht über andere reden und urteilen, sondern selber Teil der Lösung sein. Ich bin begeistert von Jesus und diese Begeisterung steckt an.
Wenn man durch eure Social-Media-Kanäle scrollt, dann sieht man hauptsächlich Bilder von jungen Menschen. Wie erklärst du dir, dass so viele junge Menschen Teil der Ecclesia Kirche sind?
Zum Einen spielt es bestimmt eine Rolle, dass Luisa und ich als Leiter auch noch relativ jung sind. Das hilft auch anderen jungen Menschen, sich mit dem Glauben zu identifizieren. Als Kirche sprechen wir aber auch bewusst eine junge Sprache: Lichtshow, Nebel, Musik, die eher an Radiohits als an Kirchenorgel erinnert.
Trotzdem haben wir den Anspruch eine Kirche für alle Generationen zu sein. Wie eine gesunde Familie aus mehreren Generationen besteht, so wollen wir das auch. Jede Generation bringt etwas wichtiges mit an den Tisch, daher freuen wir uns über jeden, der den Altersdurchschnitt anhebt.
Ihr erscheint nach außen hin sehr modern und progressiv, eure Glaubensinhalte sind aber konservativ, ihr legt die Bibel wörtlich aus. Wie passt das zusammen?
Zu aller erst würde ich dich gerne korrigieren: Wir legen die Bibel nicht wörtlich aus, sondern nehmen die Bibel ernst und versuchen zu erfassen was wirklich gemeint ist. Wir glauben, dass die Bibel Gottes Wort für die Menschen ist, gleichzeitig wissen wir aber, dass sie in verschiedenen historischen Kontexten geschrieben wurde die zu beachten sind.
Das heißt um die Bibel in ihrer Tiefe zu verstehen, muss man theologisch sehr sauber arbeiten. Gleichzeitig kann die wesentliche Botschaft, das Gott Menschen liebt, selbst von der ungebildetsten Person verstanden werden.
Diese Botschaft versuchen wir so lebensnah wie möglich in das Leben des 21 Jahrhunderts zu übertragen und erleben, dass das sehr gut zusammen passt! Menschen früher hatten Probleme mit Schuld, Beziehungen, Krisen, Angst und erlebten darin Hilfe von Gott. Menschen heute haben die selben Probleme und können auch die selbe Antwort erleben.
Wie vereinbarst du es mit dir, an die Liebe Gottes zu glauben, während so viel Leid auf der Welt passiert, Millionen Menschen an Hunger sterben, andere gar nicht wissen, wie sie ihr Geld ausgeben sollen? Kann Gott nur machtlos zuschauen?
Ich kann total verstehen, dass es für viele Menschen sehr schwer ist das zusammenzubringen.
Man kann diese Frage aus persönlicher Betroffenheit heraus oder als intellektuelle Frage stellen. Meistens wird sie als emotionale, nicht als intellektuelle Frage gestellt. Es gibt viele gute philosophische Ansätze, die aufzeigen, dass die Existenz von Leid und Bösem die Existenz eines guten Gottes nicht logisch ausschließen (gute Bücher dazu gibt es von Ravi Zacharias & Timothy Keller). Wenn aber jemand diese Frage aus persönlicher Betroffenheit heraus stellt, würde ich versuchen aufzuzeigen, dass wir in Jesus einen Gott haben, der uns auch in den schwierigsten Lebensumständen Trost, Freude neue Hoffnung und Kraft gibt.
In meiner menschlich begrenzten Sicht kann ich nicht alles sehen und nicht immer die größeren Gesamtzusammenhänge erkennen. Doch das, was Gott mir an anderen Stellen über sich selbst gezeigt hat, gibt mir die eindeutige Gewissheit, dass er gut ist, obwohl ich nicht immer auf alles eine Antwort habe. Ein Gott, der die Menschen so sehr liebt, dass er sich selbst erniedrigt, indem einer von ihnen wird und sich von ihnen an ein Kreuz nageln lässt um ihre Schuld auf sich zu nehmen – so ein Gott kann nur gut und voller Liebe sein. Das und viele andere Dinge, die Gott bei den Menschen in der Bibel und meinem persönlichen Leben getan hat, zeigen mir, dass er gut ist, selbst wenn ich nicht immer alles einordnen kann, was ich in der Welt beobachte.
Was sind die häufigsten Reaktionen, wenn du Menschen erzählst, dass du Pastor bist?
Den meisten muss ich diese Frage zwei Mal beantworten, weil sie’s beim ersten Mal nicht glauben können. Tatsächlich erlebe ich oft eine Art von „Rechtfertigung“, warum sie selbst nicht (mehr) in die Kirche gehen oder an Gott glauben.
Welche Bedeutung hat Weihnachten für dich?
Weihnachten ist definitiv eines meiner Lieblingsfeste mit einer genialen Bedeutung: Gott – das mächtigste Wesen des Universums – sendet seinen Sohn als Retter auf die Erde. Aber statt ihn in einem Palast oder in ein teures Hotel unter zu bringen, wird Jesus in einem Stall geboren. An einem Ort, zu dem jeder Mensch kommen kann, egal ob arm oder reich, dreckig oder sauber, berühmt oder unbedeutend: Jeder kann zu diesem Retter kommen!
Welche Botschaft hast du an die espresso-Leser*innen zu Weihnachten?
Gott redet an Weihnachten zu ganz verschiedenen Menschen auf unterschiedliche Art und Weise – und zwar so, dass es jeder versteht:
Die Hirten: Hirten waren damals relativ ungebildete Menschen. Durch ihren Umgang mit Tieren standen sie am Rand der Gesellschaft. Gott redet zu diesen ungebildeten Menschen auf ein sehr klare und verständliche Art und Weise: Auf dem Feld, wo sie arbeiten, lässt Gott durch Engel die Botschaft verbreiten.
Die Weisen/Heiligen drei Könige: Heute würde man sie Wissenschaftler nennen. Gott redet zu diesen gebildeten Menschen, die die Natur und das Universum beobachten, indem er eine bestimmte Sternenkonstellation auftreten lässt. Dieser Stern von Bethlehem war bestimmt keine „Sprache“ die jeder Mensch versteht, aber für die Weisen war es genau die Richtige.
Die Schriftgelehrten: Im Palast des amtierenden Königs waren sich Schriftgelehrten einig, dass der versprochene Retter in Bethlehem geboren werden sollte. So hatten es die Propheten vorhergesagt, und diese Sprache verstanden diese Theologen nur zu gut! Schade ist nur, dass keiner dieser Theologen am Stall von Bethlehem vorzufinden ist?! Es reicht eben nicht aus über Gott bescheid zu wissen. Wichtig ist, dass man sich selber auf den Weg macht um den Retter zu begegnen.
Ich hab keine Ahnung, welche Sprache du als Leser verstanden hättest. Aber eins weiß ich: Gott will auch zu dir sprechen und dir begegnen. Die Frage ist, ob du dich auf den Weg machst.
Tobias, vielen Dank für diese persönlichen Einblicke in deinen Glauben und alles Gute für deinen weiteren Weg.
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