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„Viele Vierbeiner haben Rücken“

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"Viele Vierbeiner haben Rücken"

Preisträgerin: Bei der Verleihung des Ingolstädter Gründerpreises im Juni erhielt Lisa Margraf den Publikumspreis | Fotos: Franziska Märkl

Lisa Margraf ist Hundephysiotherapeutin und -osteopathin. Im espresso-Interview erklärt sie, warum es in ihrem Beruf so wichtig ist, mit den Händen sehen zu können.

Lisa Margraf

wohnt in Pollenfeld (Kreis Eichstätt). Bereits während ihres Studiums an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt beschäftigte sie sich mit der Versorgung von Tieren. Nach ihrem Studium absolvierte sie eine Ausbildung zur Hundephysiotherapeutin im Ausbildungs- und Therapiezentrum Wosslick und begann parallel dazu eine Ausbildung zur Hundeosteopathin nach Wosslick. Lisa Margraf ist auch Ernährungsberaterin für Hunde und Katzen und besitzt eine spezielle Zertifizierung für Hundetrainings. Für Magazine und Bücher ist sie als Fachautorin tätig.

Lisa, mit deiner mobilen Praxis bist du sicherlich viel unterwegs. Wie sieht ein „normaler“ Arbeitstag bei dir aus?
Einen „normalen“ Tag gib es bei mir eigentlich nicht. Jeder Tag ist ein bisschen anders und total vielfältig – so bleibt es immer spannend. Ich versuche meist zwischen 5 und 6 Uhr aufzustehen und „bespaße“ erst einmal meine eigenen Hunde. Danach checke ich meine Mails, WhatsApp-, Facebook- und Instagram-Nachrichten und versuche, möglichst alle Anfragen zu beantworten. Wenn noch Zeit bleibt, kontrolliere ich noch kurz meine Buchhaltung und meinen Kalender und dann geht es meist auch schon los zu meinen Patienten, die ich zu Hause besuche. Mein Tag ist in der Regel mit Behandlungen vollgepackt und ich arbeite häufig bis abends durch.

Die einzelnen Termine sind dabei sehr abwechslungsreich, da jeder Patient individuell behandelt wird: Manche Hunde bekommen eine manuelle Therapie, andere benötigen ein aktives Training. Beim einen kommen elektronische Geräte zum Einsatz, der nächste benötigt eine Akupunktur oder muss erst einmal wieder laufen lernen. Wieder ein anderer soll für den anstehenden Wettkampf im Hundesport fit gemacht werden. Mir wird also nicht langweilig. Am Abend gehe ich noch eine Runde mit den Hunden raus, fahre auf den Hundeplatz zum Training oder zu einem meiner Fitnesskurse für Hunde. Danach schaue ich mir noch kurz meine Route für den nächsten Tag an und bereite alles vor.

Oft telefoniere ich dann noch mit Tierärzten und bespreche mit ihnen einige Fälle, die an mich überwiesen werden. Ich arbeite nach Möglichkeit Hand in Hand mit den Ärzten, um meinen Patienten eine reibungslose und bestmögliche Therapie zu gewähren. Meine restliche freie Zeit gehört komplett meinen Vierbeinern. Wir machen dann noch etwas Blödsinn, spielen, üben Tricks oder kuscheln gemeinsam. Gegen 23 Uhr geht es dann meistens ab ins Bett.

"Die Physiotherapie und Osteopathie verstehen sich als ganzheitliche Methoden und Ergänzung zur Schulmedizin."

Lisa Margraf mit Tequila (links) und Cooper

Bei welchen Problemen kann Physiotherapie bei Hunden helfen? Wo sind ihr Grenzen gesetzt?
Grundsätzlich spiegelt sich das Behandlungsspektrum als dreigeteilter Charakter wider: Prävention, Therapie und Rehabilitation. Generell ist es dabei eigentlich genauso wie beim Menschen, der präventiv, vor oder nach einer Operation, bei Gelenk-, Muskel-, Sehnen-, Bänder- oder Bindegewebeproblemen, Organbeschwerden, Erkrankungen des Nervensystems oder begleitend zum Sport einen Therapeuten aufsucht. Die Bandbreite an Indikationen ist grundsätzlich also recht breit gefächert und klammert weder medizinische Fachbereiche noch bestimmte Altersgruppen aus.

Die Physiotherapie und Osteopathie verstehen sich als ganzheitliche Methoden und Ergänzung zur Schulmedizin, haben aber auch klare Grenzen: ist eine Struktur irreversibel zerstört, kann auch ein Therapeut diesen Prozess nicht mehr rückgängig machen. Dennoch können in diesem Fall therapeutische Behandlungen schmerzlindernd oder beweglichkeitsverbessernd wirken.

"Je früher Funktionsstörungen oder Blockaden erkannt werden, desto leichter kann man sie korrigieren."

Mit ihren Hunden nimmt Lisa regelmäßig an Meisterschaften und Wettbewerben teil.

Mit dem Alter kommen auch die Wehwehchen. Das ist bei Tieren vermutlich nicht anders als beim Menschen. Sind deine Patienten eher ältere Semester?
Das würde ich nicht sagen. Ich habe als Patienten tatsächlich alles vom Welpen bis zum Seniorhund. Es gibt mittlerweile einige verantwortungsvolle Züchter, die ihre Welpen kurz nach der Geburt bereits durchchecken lassen. Denn allein durch den Geburtsvorgang kann es schon zu Dysfunktionen im Körper kommen. Je früher Funktionsstörungen oder Blockaden erkannt werden, desto leichter kann man sie korrigieren und so unter Umständen späteren Störungen vorbeugen. Vor allem Welpen und junge Hunde reagieren recht schnell auf die sanften Impulse.

Einen Großteil meiner Patienten machen Sporthunde aus. Mittlerweile gibt es viele verschiedene Hundesportarten, die sowohl als Hobby- als auch als Leistungssport betrieben werden. Ganz egal auf welcher Ebene der Sport durchgeführt wird: Der Wunsch aller Hundesportler ist es, den jeweiligen Sport möglichst lange gesund und mit viel Freude auszuüben. Hier klaffen Wirklichkeit und Wunsch aber oft auseinander. Die sportliche Belastung kann die Bewegungsstrukturen beeinflussen. Wie dabei Sportverletzungen und Spätschäden vermieden und wie die Hunde ihre Leistung im Sport optimieren können, das ist dabei mein Thema.

Aber natürlich gehören auch Senioren zu meinen Patienten. Wobei man dabei ganz klar sagen muss: Vorsorge ist besser als Nachsorge. Wer seinen Hund bereits in jungen Jahren fit und gesund hält und ihn nach seinen Möglichkeiten so gut es geht unterstützt, wird im Alter weniger mit Problemen zu kämpfen haben. Jahrelange Beschwerden – egal ob beim Tier oder Mensch – können diese nicht von heute auf morgen weggezaubert werden. Aber es ist auch nie zu spät, mit einer Therapie zu beginnen, um die Lebensqualität des Tieres zu verbessern und ein möglichst schmerzfreies Leben zu gewähren.

"Wir Physiotherapeuten und Osteopathen haben überspitzt gesagt gelernt, mit den 'Händen zu sehen'."

Das Balancekissen bietet vielseitige Trainingsmöglichkeiten für ein umfassendes Körpertraining. Neben dem Gleichgewicht wird u.a. die Kernmuskulatur gestärkt.

Im Gegensatz zur Physiotherapie beim Menschen, können deine Patienten nicht reden. Wie zeigen Hunde dir, wo das Problem liegt?
Hands on! Als Therapeut muss man sich häufig auf seine Hände verlassen. Wir Physiotherapeuten und Osteopathen haben überspitzt gesagt gelernt mit den „Händen zu sehen“ – man begreift, indem man den Hund anfasst. Wir können zum Beispiel Temperaturunterschiede im Gewebe erfühlen, Spannungsverhältnisse der Strukturen ertasten oder Gelenksblockaden erspüren – das alles gibt Aufschluss darüber, wo es „zwickt“. Bereits kleinste Veränderungen in der Faszienstruktur oder der Muskulatur geben Aufschluss darüber, wo gerade ein Problem entsteht. Umso früher diese erkannt werden, umso größer ist die Chance, einen Schaden abzuwenden.

Es gibt aber auch eindeutigere Fälle, wo bereits die Haltung, die Bewegung und der Gang des Hundes Aufschluss darüber geben, wo die Problematik liegt. Nicht zu vergessen ist, dass die Hunde sehr wohl auch kommunizieren – man muss nur lernen, ihnen zuzuhören. Schmatzt ein Hund beispielsweise beim Berühren einer bestimmten Stelle, ist das ein Indiz dafür, dass ihm das unangenehm ist und an dieser Stelle womöglich etwas nicht stimmt.

"Je nachdem welche Problematiken vorliegen, bekommt der Besitzer dann noch Hausaufgaben."

Bei Seminaren, Workshops und Kursen dürfen Lisas Hunde Tequila und Cooper sie als „Demo-Dog“ unterstützen. So kann sie den Teilnehmern Übungen, Handgriffe oder Techniken live zeigen.

Wie gehst du vor, wenn du das erste Mal einen neuen Patienten vor dir hast?
Zunächst einmal führe ich ein ausgiebiges Gespräch mit dem Besitzer und erfrage die Krankengeschichte des Hundes. Falls der Hund vom Tierarzt oder der Tierklinik überwiesen wird, spreche ich gerne mit den behandelnden Ärzten und studiere deren Diagnose. Danach folgt eine Gangbildanalyse des Hundes. Dabei schaue ich mir den Vierbeiner in verschiedenen Gangarten, Bewegungen und Positionen an und analysiere seinen Körperbau und die Winkelungen der Gelenke. Hier erkennt man meistens schon, wo es „hakt“. Ich erkenne dabei, ob der Hund beispielsweise eine Schonhaltung einnimmt, nicht im Takt läuft oder Gelenkfehlstellungen zeigt.

Im Anschluss daran wird der Hund von mir von oben bis unten und von vorne bis hinten durchpalpiert. Dabei achte ich u.a. auf die Gleichmäßigkeit der Bemuskelung und deren Tonus, auf die Gelenkstellung und den Zustand des Bindegewebes. Dysfunktionen und Auffälligkeiten werden dann natürlich auch gleich behandelt. Je nachdem welche Problematiken vorliegen, bekommt der Besitzer dann noch Hausaufgaben, die er mit dem Hund aktiv und/oder passiv durchführen kann.

"Rückenschmerzen sind besonders unangenehm, da sie nicht nur bei Belastung, sondern auch in Ruhe auftreten."

Rückenprobleme: auch bei Hunden keine Seltenheit

Was sind die häufigsten gesundheitlichen Probleme, die du bei Hunden antriffst?
Viele Vierbeiner haben – wie man so schön sagt – „Rücken“. Rückenschmerzen sind besonders unangenehm, da sie nicht nur bei Belastung, sondern auch in Ruhe auftreten und die Lebensqualität des Vierbeiners demnach stark beeinträchtigen können. Die Rückenschmerzsymptomatik stellt sich bei Hunden ganz unterschiedlich dar. Sind aber bereits Veränderungen von Bewegungsabläufen zu erkennen, deutet das meist bereits auf einen fortgeschritteneren Verlauf hin. Der Rücken ist ein komplexer Apparat, der durch tägliche Bewegung gesund erhalten werden sollte – und genauso krank gemacht werden kann. Schon kleinste Veränderungen in dem fragilen Gebilde können schmerzhafte Folgen haben. Diese reichen von Muskelverspannungen über Wirbelgelenksblockaden bis hin zu Bandscheibenvorfällen.

Eine regelrechte Volkskrankheit ist mittlerweile unter den Hunden aber auch die Arthrose. Die betroffenen Gelenke werden steif und schmerzhaft, was sich nicht selten in einer Lahmheit äußert. Um an einer Arthrose zu erkranken, muss der Hund keinesfalls alt sein – auch jüngere Hunde sind oft betroffen. Dabei spielt nicht selten Übergewicht eine Rolle. Zwar kann Übergewicht alleine keine Arthrose auslösen, übergewichtige Hunde erkranken jedoch früher und oft schwerer.

"Die verschiedenen Rassen und auch ihre Mischlinge sind mittlerweile für allerlei Krankheiten anfällig."

Sind die Probleme generell eher genetisch bedingt oder durch Fehlverhalten der Besitzer verursacht?
Das ist meistens eine Kombination, wobei ich es nicht unbedingt „Fehlverhalten“ nennen würde, denn meistens ist es eher Unwissenheit – viele Hundebesitzer wollen ja eigentlich nur das Beste für ihren Vierbeiner. Die verschiedenen Rassen und auch ihre Mischlinge sind mittlerweile für allerlei Krankheiten anfällig. Viele Entwicklungsstörungen des Skeletts und Gelenkerkrankungen sind erblich bedingt, werden aber durch einen ungesunden Lebensstil, eine unzureichende Ernährung und Fehlbelastungen begünstigt. Bei Gelenkerkrankungen handelt es sich häufig um sogenannte degenerative Erkrankungen. Dabei geht man von einer Abnutzung oder der Alterung von Zellen, die zum Beispiel durch Fehlbelastung, Instabilitäten, Unfälle und entzündliche Vorgänge entstehen, aus. Gerade bei Welpen und Junghunden ist daher darauf zu achten, eine Überbelastung der Gelenke zu vermeiden und somit späteren möglichen Schäden vorzubeugen.

"Auch ein qualitativ hochwertiger Schlaf ist für unsere Hunde sehr wichtig. "

Was kann jeder Hundebesitzer tun, um den Bewegungsapparat gesund zu halten?
Das A und O ist ein gesunder Lebensstil, genügend kontrollierte Bewegung und eine ausgeglichene Ernährung. Leider haben viele Hunde ein bisschen zu viel auf den Rippen – das geht Tag für Tag auf die Knochen und Gelenkbeschwerden sind damit eigentlich schon vorprogrammiert. Zudem ist es auch wichtig, die Zusammensetzung des Futters zu überprüfen und diese den Lebensumständen des Hundes anzupassen. Durch einen regelmäßigen Check beim Tierarzt und auch bei einem Therapeuten können Probleme am Bewegungsapparat früh erkannt und der Verlauf verlangsamt oder in manchen Fällen sogar gestoppt werden. Auch ein qualitativ hochwertiger Schlaf ist für unsere Hunde sehr wichtig. Er ist unverzichtbare Lebensgrundlage und die Voraussetzung für Entwicklung, Wohlbefinden und Gesundheit.

"Die Hunde zeigen in der Regel gut an, wenn ihnen etwas unangenehm ist. Sie schmatzen oder gähnen dann zum Beispiel. "

Manche Hunde, die zu dir kommen, haben sicher auch Schmerzen und reagieren auf Berührung möglicherweise empfindlich. Wurdest du schon einmal gebissen?
Bei der Behandlung wurde ich tatsächlich noch nie gebissen. Die Hunde zeigen in der Regel gut an, wenn ihnen etwas unangenehm ist. Sie schmatzen oder gähnen dann zum Beispiel. Als Therapeut sollte man dann so feinfühlig sein, solche Anzeichen zu bemerken und zu deuten. Natürlich kann es beispielsweise nach schweren Operationen mal vorkommen, dass Hunde sehr skeptisch sind und sich ungern anfassen lassen. Mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen kann man sich da aber in der Regel sehr gut herantasten. Es gibt aber auch Hunde, die aus welchem Grund auch immer, nicht lange fackeln und eine niedrigere Reizschwelle haben als andere: dann muss zur Not ein Maulkorb dran – insofern der Hund bereits Bekanntschaft damit gemacht hat.

Lisa, vielen Dank für das Interview.

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