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Richter mit kreativem Kopf

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Richter mit kreativem Kopf

Fotos: Norbert Müller | Text: Sabine Kaczynski

Michael Fein alias Michael von Benkel ist Richter, Maler, Buchautor und Musiker in Personalunion.

Dem äußeren Erscheinungsbild nach – der Ingolstädter trägt schulterlanges, gewelltes Haar und eine Brille, die an John Lennon erinnert – denkt man zunächst eher an einen Künstler als an einen Juristen. Und tatsächlich schlummerten der Musiker und der Autor schon vor dem Jurastudium und der Profession als Richter in Michael Fein – zumindest, wenn man die zeitliche Reihenfolge beachtet.

Denn Gitarre spielt der Tausendsassa schon seit seinem achten Lebensjahr, ein paar Jahre später begann er damit, eigene Songs zu komponieren und gründete 1976 schließlich seine erste Band. Zum Schreiberling wurde Michael Fein ebenfalls bereits während seiner Schulzeit. Zunächst entstanden Kurzgeschichten, dann auch Gedichte: „In der Pubertät vor allem für junge Damen, die ich aus der Ferne verehrt habe“, wie er rückblickend erzählt. Irgendwann hat ihm dann ein Mitbewohner den Floh ins Ohr gesetzt, man „sollte einmal im Leben ein Buch geschrieben haben“. Lange Zeit habe er dann auf eine zündende Idee zu diesem Erstlingswerk gewartet, die ihm aber erst Ende der 90er Jahre gekommen sei – mitten auf einer Radtour. „Danach habe ich mir den billigsten Laptop, den ich finden konnte, auf ebay gekauft – denn ich konnte ja gar nicht abschätzen, ob ich das Buch jemals zu Ende schreiben würde“, beschreibt der 59-Jährige seine Anfänge als Autor. Letztlich wurde seine erste Idee aber erst als sein drittes Buch veröffentlicht, nämlich unter dem Titel „Der Schrank“. Mit der Malerei beschäftigte sich der gebürtige Gräfelfinger erst später, als er bereits als Jurist in Ingolstadt tätig war. Anfangs zog er Bettlaken auf Leisten und bemalte sie mit abstrakten Dingen: „In meinen Bildern haben also schon ganz oft Menschen geschlafen“, sagt Fein schmunzelnd.

Alle künstlerischen Aktivitäten gleichzeitig übt der Ingolstädter übrigens selten neben seinem Beruf als Richter aus. Eher schon abwechselnd, mindestens ein Bereich ruht meistens. Derzeit ist es das Malen: „Damit pausiere ich schon eine ganze Weile“, sagt der Ingolstädter, der zuletzt vor ein paar Jahren mit seinen gepinselten Werken sogar überregional für Schlagzeilen sorgte. Was war geschehen? Ein Journalist äußerte Bedenken, weil seine Bilder von 23 Serienmördern im Flur des Amtsgerichts ausgestellt waren. Schnell kursierte die Story auch weit über die Grenzen Ingolstadts hinaus in diversen Blättern. Als finale Reaktion auf den „Mini-Skandal“ wurden die im Pop-Art-Stil gemalten Porträts schließlich abgehängt – und suchen bis heute ein „Zuhause“, wo sie dauerhaft hängen bleiben können.

Als Richter darf ich nichts erfinden, aber als Künstler darf alles raus, was ich in meinem Kopf habe.

Aktuell konzentriert sich Michael Fein aber sowieso eher aufs Schreiben: „Das betreibe ich momentan sehr intensiv“, berichtet der Ingolstädter. Ende des letzten Jahres erschien sein neuestes Werk „Im Zeichen der Sterne“, ein weiteres steht kurz vor der Veröffentlichung: „Es war mal wieder ein Krimi fällig“, sagt der Autor und verrät schon ein bisschen vom Inhalt: „Es geht um einen Psychotiker, der Stimmen hört und in eine Situation gerät, in der er meint, ein Mörder zu sein“, umreißt er die Story des Arbeitstitels „Der Liebesdienst“. Input für die Geschichte holte er sich von Psychiatern und Ärzten, die er zu diesem Thema intensiv befragt hat.

Sein größtes Projekt ist allerdings derzeit die Biografie von Hans Ziller, Kopf der Band „Bonfire“, an der er seit einigen Wochen als Co-Autor arbeitet. Dieses Buch wird jedoch keineswegs nur vom Aufstieg der Hardrocker bis zu den Festival-Erfolgen bei Rock am Ring, Wacken & Co. handeln, sondern auch von einer ganz anderen – nämlich einer psychischen Komponente. Denn Hans Ziller durchlitt eine manisch-depressive Erkrankung, die bis zum Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik führte – auch diese Schattenseite seines Lebens wird in der Biografie beleuchtet. „Einerseits geht es um den Werdegang von Bonfire, andererseits gibt es dazwischen immer wieder Notizen aus der geschlossenen Abteilung. Es ist sehr interessant, den schmalen Grat zwischen Kreativität und Wahnsinn, das Sich-Abwechseln von Höhen und Tiefen und den Zusammenhang zwischen Ruhm und Zusammenbruch zu sehen“, skizziert der 59-Jährige die Thematik des „Rock’n’Roll Survivors“, wie nicht nur der geplante Titel der Biografie, sondern auch der eines Bonfire-Songs lautet.

Ich bin dem Schicksal sehr dankbar, was es mich machen lässt.

Wie immer, wenn er als Autor unterwegs ist, wird er auch in diesem Fall unter seinem Alter Ego Michael von Benkel, der sich vom Mädchennamen seiner Mutter ableitet, auf dem Cover stehen. Warum? Den Künstlernamen habe er sich zugelegt, um „die Privatperson Michael Fein, die natürlich auch mit dem Richter verbunden ist, tunlichst von der Kunst- und Kulturfigur Michael von Benkel zu trennen“, erklärt der Ingolstädter. „Denn als Richter darf ich nichts erfinden, aber als Künstler darf alles raus, was ich in meinem Kopf habe.“

Ist dann Michael Fein also ein völlig anderer Typ anders als Michael von Benkel? „Sie befruchten sich natürlich gegenseitig“, meint der 59-Jährige. „Dinge, die ich im Alltag tue, fließen selbstverständlich auch in meine künstlerische Arbeit mit ein. Trotzdem bleibt eine eindeutige Grenze zwischen dem bunten, künstlerischen Gesamten und dem eher nüchternen, sachlichen Berufsleben. Es muss klar bleiben, was Wahrheit und was Illusion ist“, meint er.

Schon sein persönliches Auftreten sei im Gerichtssaal ein ganz anderes als auf der Bühne, erklärt Fein: „Ich stehe bei einer Verhandlung nicht im Mittelpunkt, sondern bin als Richter ein neutraler Mittler. Auf der Bühne dagegen geht es um eine Show, in der ich meinen Figuren tun lassen kann, was ich will.“ Schließen sich denn das Bild des kreativen Kopfes auf vielen künstlerischen Ebenen und das doch eher angestaubte Klischee eines Beamten im Staatsdienst nicht generell komplett aus? Keineswegs, meint Fein und betont, dass das Richterdasein alles andere als eintönig oder langweilig sei. „Ich erlebe Geschichten von Menschen, die sich häufig in Grenz- oder Extremsituationen befinden. Das ist sehr spannend und oft auch skurril. Dieses bunte, pralle Leben, das ich im Gerichtssaal erlebe, liefert jede Menge Plots und Stoff für jede Art von Kunst“, erzählt er. „Meine beiden Seiten sind kein so großer Gegensatz, wie man sich es vorstellt“, meint er und fügt an: „Das sieht man schon daran, dass außer mir in Ingolstadt auch noch weitere Kollegen durchaus kreativ unterwegs sind.“

Und welche seiner vier „Rollen“ – den Richter, den Musiker, den Maler und den Autor – mag Michael Fein nun am liebsten? „Darüber habe ich mir ehrlich gesagt, noch nie Gedanken gemacht“, gibt er zu. „Irgendwie hat alles seine Berechtigung und man kann das gar nicht sagen. Das ist wie bei Kindern – die mag man ja auch alle gleich gern, obwohl sie verschieden sind.“ So habe er lange und viel dafür gearbeitet, überhaupt in den Justizdienst zu kommen. „Das war immer mein Traum – und natürlich ermöglicht mir der Job überhaupt erst, als Künstler tätig zu sein. Natürlich schreibe ich gern, liebe die Musik und Malen ist auch toll – aber der Richterberuf ist genauso faszinierend“, sagt Fein. Zudem sei es mehr als schwierig, ausschließlich von einer künstlerischen Tätigkeit leben zu können, „die meisten Autoren scheitern etwa schon an der Verlagssuche“, gibt er zu bedenken.

Mir ist noch nie ein Mensch begegnet, der 100% Mann oder 100% Frau war.

Wie sieht für jemanden, der so viele verschiedene Facetten in sich trägt, dann eigentlich ein „echter Kerl“ aus? Hat er ein besonderes Männer-Ideal? „Wir sollten lieber alle Menschen sein, anstatt uns aufgrund irgendwelcher theoretischer Bilder besser oder schlechter zu fühlen“, findet der 59-Jährige. „Schließlich kann man nicht wirklich was dafür, wie man geboren wird.“ Typische Klischees, die „traditionell“ an Geschlechter geknüpft sind, hält er für häufig gar nicht zutreffend. Und er ist sich sicher: „Mir ist noch nie ein Mensch begegnet, der 100 Prozent Mann oder 100 Prozent Frau war – jeder Mensch ist für mich eine Mischform“, sagt Michael Fein, für den das Künstlerische ohnehin eher weiblich besetzt ist – das könne er auch bei sich selbst bestätigen.

Welche gemeinhin eher als weiblich angesehenen Attribute findet der Künstler Michael von Benkel denn bei sich? „Ich würde mich schon eher als weich, nachgiebig und einfühlsam bezeichnen. Zudem versuche ich, Dinge in ihrer Gesamtheit zu sehen und hinter die Kulissen zu schauen“, meint der Ingolstädter, der durchaus mal die Klamotten seiner Kinder aufträgt und keinen besonderen Wert auf sein Äußeres legt. „Ich wasche und kämme mich – aber ich besitze weder teure Anzüge noch teure Schuhe“, sagt der Jurist und Künstler, der bei seinen Auftritten gerne Hut trägt: „Das ist aber eigentlich das Einzige, worauf ich achte“, schmunzelt der Ingolstädter, der sich vorstellen kann, bis weit ins hohe Alter als Autor kreativ zu sein. Und was erwartet er sonst noch so vom Leben? „Ich bin mit meinem Leben eigentlich sehr zufrieden und dem Schicksal insgesamt sehr dankbar, was es mich machen lässt und was es mir an Möglichkeiten geboten hat“, meint das Multitalent.

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