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Raue Schönheit

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Raue Schönheit

Von der Morgensonne wird die Kathedrale Santa María de Regla in León besonders hübsch in Szene gesetzt

Der Norden Spaniens bietet neben traumhaften Stränden auch atemberaubende Bergwelten und tolle Städte – ein Reisebericht unserer Redakteurin Sabine Kaczynski (Teil 2)

Von Muxía bis León

Verbringt man den Urlaub im Norden Spaniens, vor allem in Galicien, gibt es ein Pflichtprogramm, das man keinesfalls auslassen darf: Man muss zumindest ein Stück des allgegenwärtigen Jakobswegs zurücklegen. Dafür fuhren wir mit unserem Wohnmobil Kalle nach Muxía, wo sich die Kirche „Virxe da Barca“ und die Steine „Pedra De Abalar“, denen diverse Kräfte zugeschrieben werden, befinden. Von hier aus folgten wir der Muschel, dem Kennzeichen des Jakobswegs, und marschierten bei sengender Hitze rund zwei Stunden den berühmten Pilgerweg entlang. Die oft beschriebene spirituelle Stimmung wollte sich bei uns jedoch nicht so recht einstellen. Zu oft verläuft der Weg einfach an befahrenen Landstraßen entlang und die Vorstellung, sich bei Hitze oder Regen täglich stundenlang mit anstrengendem Laufen zu quälen, erschien uns wenig reizvoll.

Cambados: Sonnenuntergang am Meer

Wir stiegen daher lieber wieder in Kalle und fuhren den Rest des Wegs bis ans „Ende der Welt“ – dem Cabo Fisterra, wo wir einen traumhaften Stellplatz mit Blick auf den Leuchtturm und das Meer ergatterten und dort den weitesten Punkt unserer Reise erreichten. Unser Tacho verriet uns, dass wir nun exakt 2593 Kilometer zurückgelegt hatten! Natürlich ließen wir es uns nicht nehmen, noch zum Endpunkt des Jakobswegs zu schlendern und dort die Ankunft einiger Pilger zu beobachten. Krass, dass einige der Ankömmlinge (wie sie erzählten) an diesem Punkt tatsächlich rund 800 Kilometer zu Fuß hinter sich gebracht haben. Auch wenn wir selbst solche Strapazen nicht auf uns genommen haben, genossen wir das Abendessen mit Blick auf einen herrlichen Sonnenuntergang.

Die berühmte Kathedrale von Santiago de Compostela

Der erste Zwischenstopp am Folgetag führte uns zu den Wasserfällen von Ézaro, bevor wir weiter nach Carnota fuhren, wo es unendlich viele Hórreos gibt. Diese ursprünglich als Getreidespeicher genutzten steinernen, auf Stelzen gebaute Häuschen prägen die Landschaft und gehören quasi zu jedem Anwesen. Auch den längsten Hórreo Galiciens findet man hier: Stolze 22 Paar Stelzen tragen das rund 35 Meter lange Gebäude, das inzwischen ein geschütztes Kulturdenkmal ist. Unsere nächste Station war ein Campingplatz unweit von Muros, einem netten Hafenstädtchen mit bunten Fischerbooten und engen Gassen, der Kirche „Igrexa San Pedro“ und einigen sogenannten „Cruceiros“ (steinernen Kruzifixe). 

Hier verbummelten wir zwei Tage und gönnten uns eine Pause von der Fahrerei, bevor wir unser nächstes Ziel, Santiago de Compostela, ansteuerten: Was ein Highlight unserer Reise werden sollte, enttäuschte uns allerdings ein bisschen. Lässt man die – zugegebenermaßen imposante – Kathedrale und den Pilger-Hype weg, ist die Stadt nur eine von vielen, ohne überraschende Ecken, besonders hübsche Gässchen oder Ähnlichem. Nachdem wir die Kathedrale ausgiebig von außen begutachtet hatten, schlossen wir uns der Pilger-Schlange an und warteten trotz teilweise strömenden Regens geduldig auf den Einlass. Der prunkvolle in Gold und Silber glänzende Hochaltar mit der lebensgroßen Figur des Heiligen Jakobus überstrahlt den Rest der Kirche, lediglich die beiden Orgeln sind ähnlich prächtig ausgestattet.

Um den eigentlichen „Schatz“ der Kathedrale, die Gebeine des Apostels in der Krypta, mit anschließendem Berühren der Heiligenfigur zu erleben, musste man sich allerdings nochmal in eine weitere Schlange einreihen. Fotografieren darf man den silbernen Schrein mit der Reliquie nicht, auch an der Rückseite der Jakobusfigur, die die Pilger eigentlich umarmen und einen Dankesspruch an sie richten sollen, wird man eher vorbeigescheucht. Auch der große Weihrauchkessel wurde während unserer Anwesenheit nicht geschwungen. Das als Meisterwerk der romanischen Bildhauerei beschriebene Portico de la Gloria hätten wir erst am Abend besichtigen können – so lange wollten wir nicht warten. So sparten wir uns die 12 Euro Eintritt pro Nase und gingen lieber auf einen Drink in das äußerst hübsche Café Casino und fuhren weiter nach Noia, einem kleinen Örtchen an der Ría de Muros e Noia.

Leider goss es immer noch und der Wind hatte sogar zugenommen. Mit Regenjacke und Schirm bewaffnet zogen wir dennoch los, streiften durch das Städtchen und entdeckten eine inzwischen zum Museum umfunktionierte Kirche, in der uralte, mit Zeichen und Figuren geschmückte Grabsteine ausgestellt waren. Leider reichte unser Spanisch nicht, um die ganze Geschichte dahinter zu verstehen. Sehr schade – zumal es häufiger vorkam, dass Erklärungen nur in galicischer bzw. kastillischer Sprache vorhanden waren. Am nächsten Morgen strahlte wieder die Sonne und wir machten uns mit Kalle auf den Weg nach Porto do Son, wo man die Reste einer alten keltischen Festung, der Castro de Baroña, besuchen kann. Die runden und ovalen Steinkreise, Fundamente uralter Häuser, lassen sich noch sehr gut erkennen, genauso wie die Mauern, die den gesamten Ort einst umgaben. Beeindruckend, sich vorzustellen, wie die Kelten seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. diesen Ort bewohnten! Wir setzten unseren Roadtrip fort zum Parque Natural de Corrubedo, wo sich die einzige Wanderdüne Galiciens befindet. Derzeit hat sie etwa die Größe eines fünf Stockwerke hohen Gebäudes, vor hundert Jahren war sie angeblich gar mehr als 60 Meter hoch. Das geschützte Gelände ist nur über einen Holzplankenweg zu erreichen, die Düne darf gar nicht betreten werden – cool ist sie dennoch.

Julius Cäsar gibt Parkanweisungen - Mural von @diegoas_graffiti in Lugo.

Unser nächster Stopp waren die Torres de Oeste, Überbleibsel einer mittelalterlichen Festung, die am Ufer des Flusses Ulla strategisch optimal gelegen war. Bis heute wird die Invasion der Wikinger an dieser Stelle von den Bewohnern Catoiras nachgespielt, die entsprechenden Boote kann man im Fluss liegen sehen – Wickie lebt! Unser nächster Halt war eher kulinarischer Natur: Wir steuerten nämlich das Weingut Granbazán an, dessen italienisch-französisch anmutendes Chateau tatsächlich erst 1981 gebaut wurde, wie uns die freundliche Verkäuferin (zum Glück auf Englisch!) erzählte. Nach einigem Verkosten kauften wir (zu) viel Albariño ein (er ist aber auch echt lecker!), bevor wir uns zu unserem Übernachtungsplatz in Cambados aufmachten. Am nächsten Tag hatten wir tatsächlich die 3000-Kilometer-Marke geknackt! 

Den ersten Zwischenstopp machten wir in O Grove, wo wir den Muschelsammlern live bei der Arbeit zusehen konnten: Mit langen Stöcken und Eimern suchen sie in Ufernähe nach den gefragten Meeresfrüchten. Kaufen kann man die dann in der örtlichen Markthalle – neben Gemüse und Fleisch und einer üppigen Auswahl an allem, was das Meer hergibt – lebende Krebse und Hummer eingeschlossen! Ansonsten hatte der Ortskern aber nicht besonders viel zu bieten, so dass wir mit Kalle weiter zum „Sendero de Pedras Negras“, einem Spazierweg auf Holzplanken, kurvten Er führt entlang der Küste von San Vincente do Mar bis zu einem Militärgelände und gewährt einen atemberaubenden Blick auf die mächtigen Steine und die herrlichen Buchten mit türkisblauem Wasser. Am anderen Ende des Wegs, im Hafen von San Vincente Do Mar, erinnert ein steinernes Denkmal, das Personen in Schutzanzügen mit Maske zeigt, an die Umweltkatastrophe, die das geborstene und gesunkene Tankschiff „Prestige“ im Jahr 2002 an der galicischen Küste verursachte. Wir wollten lieber wieder schöneren Gedanken nachhängen und fuhren daher weiter zum Praia da Lanzada, einem rund 2,5 Kilometer langen herrlichen Sandstrand, den wir an diesem frühen Nachmittag beinahe für uns alleine hatten!

Danach machten wir uns auf zu unserer letzten galicischen Übernachtungsstation nach Lugo, der ältesten Stadt Galiciens – und einer sehr schönen noch dazu. Mit ihren vielen Geschäften, Lokalen, einem grünen Stadtpark, hübschen Plätzen und einer Kathedrale, die – unserer Meinung nach – innen prachtvoller war als die gehypte von Santiago de Compostela, hat sie richtig viel zu bieten. Nach einem Spaziergang auf der noch vollständig erhaltenen Stadtmauer gönnten wir uns einen Drink in einer netten kleinen Bar, bevor wir das letzte Mal ein typisches Abendessen im Lokal „O Tentaculo“ zu uns nahmen. Diesmal waren es Caldo Gallego (ein Eintopf mit Kartoffeln, Fleisch und dem landestypischen Kohl), Revuelto de Grelos y Pulpo (Rührei mit Blattkohl und Tintenfisch) und Croquetas Variada (mit Tintenfisch, Käse und Fleisch gefüllt). 

Unser erster Stopp am nächsten Tag war das Kloster San Julián de Samos, das wir bei Nieselregen erreichten. Leider war eine Besichtigung nur mit Führung möglich, auf die wir fast eine Stunde hätten warten müssen. Das schenkten wir uns und kurvten mit Kalle weiter zur Passhöhe Alta O Poio, wo uns dichter Nebel leider jegliche Sicht raubte und uns die bei schönem Wetter grandiose Aussicht vermasselte. Statt uns zu ärgern, bedauerten wir aber die vielen Pilger, die – zu Fuß und auf dem Fahrrad – von Wind und Regen gepeitscht und durchnässt und bei kühlen Temperaturen echt viel auf sich nahmen, um ihrem Ziel, dem Ende des Jakobswegs, näherzukommen. Wir saßen stattdessen in unserem gemütlichen Kalle und kurvten weiter bis O Cebreiro, einem Bergdorf, in dem man noch die historischen kreisrunden, mit Roggenstroh gedeckten keltischen Wohnhäuser besichtigen kann. Leider ist nur eines der hübschen Häuschen so als Museum ausgebaut, dass man sehen kann, wie die Menschen damals lebten und diese Unterkünfte nutzten – im Rest waren entweder Pilger-Souvenirs oder andere Geschäfte untergebracht. Schade, da hätte man mehr draus machen können, aber natürlich wird entlang des Jakobswegs versucht, möglichst viel Kapital aus der Pilgergeschichte zu schlagen.

Wir fuhren weiter nach Ponferrada, verließen damit unser Hauptreiseziel Galicien und begannen, uns so ganz langsam wieder auf den Rückweg nach Ingolstadt zu machen. In Ponferrada besichtigten wir das – an diesem Tag kostenlose! – Castillo de los Templarios, eine Burg des Templerordens. Die riesige Anlage ist sehr beeindruckend, aber es begegneten uns auch wieder die unheimlichen schwarzen Kapuzenmänner, die mit ihrem Outfit an den Ku-Klux-Klan erinnern – diesmal auf Mauern gesprüht. Unsere letzte Station war León, wo wir die Kathedrale Santa María de Regla besichtigten. Der riesige Bau ist innen wie außen mit den wunderschönen Glasfenstern, den fein ausgearbeiteten Figuren und Reliefs sowie dem kunstvoll gearbeiteten Chorgestühl mehr als sehenswert. Nach zwei Rückfahrt-Tagen präsentierte unsere Tachoanzeige im heimischen Niederfeld die stolze Zahl von 5280,5 km! 

Und wie lautet nun unser Roadtrip-Fazit? Der wilde Norden Spaniens ist ein attraktives Reiseziel, das es lohnt, entdeckt zu werden. Ist man mit dem Wohnmobil unterwegs, muss man die lange Strecke berücksichtigen und unbedingt mindestens drei Wochen einplanen, damit der Urlaub nicht in Stress ausartet. Positiv ist uns aufgefallen, dass viele Stell- und Campingplätze sehr schön und sauber sind, die angeschlossenen Restaurants bieten oft hervorragendes Essen für wenig Geld. Wer autark unterwegs ist, findet überdies in dieser Region zahlreiche (Park-)plätze, die keinen Cent kosten – wir standen an einsamen Buchten, zentral am Hafen oder vor idyllischem Bergpanorama. Zudem gibt es in vielen Orten und Gemeinden kostenlose Ver- und Entsorgungsmöglichkeiten. Die Landschaft bietet von Gebirge bis Meer alles und auch kulinarisch ist man sehr gut aufgehoben – wir haben viele leckere Schmankerl probiert. Nicht ganz so gut hat uns die meist etwas mürrische Art der Spanier gefallen, zudem ist eine Kommunikation ohne gute Sprachkenntnisse recht schwierig, zumal man in einigen Regionen aufgrund der unterschiedlichen Landessprachen auch trotz halbwegs ordentlichem Spanisch an seine Grenzen stößt.

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