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Von Frankfurt am Main zu Frankenstein an der Donau
Sich selbst nennt Benjamin Dami einen echten ‚Frankfurter Bub‘. Aufgewachsen in Frankfurt am Main („die schönste Stadt der Welt“) verschlägt es ihn irgendwann nach Würzburg. Für ein Jurastudium. Nach zwei Jahren ein radikaler Schnitt: Er bricht ab und wird Schauspieler. So lernt er seine spätere Herzensdame kennen, mit der er drei Kinder bekommt.
Benjamin Dami hat tunesische und französische Wurzeln, seine Frau japanische. Seit der Spielzeit 2014/15 gehört der mittlerweile 41-Jährige zum Ensemble des Jungen Theaters am Stadttheater Ingolstadt. Außerdem ist er in freien Produktionen zu sehen, sehr eindrucksvoll etwa kürzlich bei der Traumphase im Rahmen des ersten Ingolstädter Frankensteintags – und im Oktober erlebt er eine „Schlimme Nacht“ mit dem Autoren Jens Rohrer.
Da wurden erstmal alle Gelder gestrichen
Benjamin, was hat dich zur Schauspielerei gebracht?
Ganz klassisch: die Liebe. Ich habe damals Jura studiert. Meine damalige Partnerin meinte: Du bist kein Jurist, du bist Schauspieler! Mit der Schauspielerei hatte ich bis dahin nichts am Hut, im Theater war ich höchtens ein Mal. Ich war 25, als ich an der Theaterakademie Mannheim vorgesprochen hatte. Der Tanzlehrer meinte schon, ich sei zu alt. Unter Vorbehalt und mit einem halben Jahr Probezeit haben sie mich dann doch aufgenommen – und der Rest ist Geschichte.
Was haben deine Eltern zu deinem Entschluss gesagt?
Uuuuh… Da wurden erstmal alle Gelder gestrichen (lacht). Aber ich bin durch die Wahl dieses Berufes tatsächlich erwachsen geworden. Ich hatte zwei Jobs, um die private Schauspielschule und meine Wohnung finanzieren zu können.
Warst du überzeugt von diesem Weg?
Voll. Als ich spielen, tanzen und singen durfte, wusste ich, dass das „meins“ ist und ich damit irgendwie meinen Lebensweg bestreiten werde. Letztlich hat mich diese Wahl auch zu meiner Ehefrau und zu meinen drei Kindern geführt. Meine Frau habe ich am Theater in Pforzheim kennengelernt. Ich flog über ihr, während sie unter mir tanzte. Sie kam in den Geschmack meines Schweißes, bevor sie mich überhaupt kannte (lacht). Geheiratet haben wir 2017.
Fantastische Menschen lernt man nicht im ersten Jahr kennen
Deine beiden Muttersprachen sind Arabisch und Französisch. Was hat es damit auf sich?
Meine Mutter ist Französin, mein Vater war Tunesier. Aber wie es so ist: Als Kind sträubt man sich immer gegen das, was die Eltern einem aufoktroyieren. Mein Vater wollte mir das Schreiben und Lesen auf arabisch beibringen, aber das habe ich verpasst. Aber ich spreche und verstehe es.
Irgendwann war dein Schauspielstudium vorbei. Auf was hat dich dein Studium denn nicht vorbereitet?
Wie ich mich bewerbe. Stattdessen hieß es: Nach Ihrem Studium gehen Sie erstmal zum Arbeitsamt und melden Hartz IV an. Wie? 15.000 Euro habe ich mir aus dem Hintern gezaubert und dann nur Hartz IV? Das habe ich nicht gemacht. Ich habe mich durchgeboxt, weiterhin gekellnert und war zwei Jahre freier Schauspieler, bevor ich nach Ingolstadt kam. In dieser Zeit hatte ich zehn Premieren, was sehr viel ist. Ich bin zwischen den Städten gehoppt: Schwetzingen, Stuttgart, Frankfurt und Pforzheim. Ingolstadt ist mein erstes Festengagement und ich gehe hier dieses Jahr bereits in meine elfte Spielzeit.
Wie lange hat es gedauert, bis du dich hier eingelebt hast?
Ich fange an, Ingolstadt immer mehr zu lieben. Menschen machen eine Stadt und in Ingolstadt gibt es fantastische Menschen. Die lernt man natürlich nicht im ersten Jahr kennen. Das bedarf Zeit und Geduld. Und, das sage ich mit absolutem Respekt: Hier herrscht eine Mia-san-mia-Mentalität. Da muss man erstmal reinkommen. In den letzten zwei Jahren bin ich erst so richtig angekommen.
Mit Jens Rohrer verbringst du im Oktober ein paar „Schlimme Nächte“. Worum geht’s denn da?
Jens hat das Stück „Schlimme Nacht“ geschrieben und möchte darauf aufmerksam machen, wie viele Menschen unter Schlaflosigkeit leiden – und was das für ein Problem ist. Er hat das sehr lustig in ein Theaterstück umgesetzt. Es geht um eine Person, die einfach nicht einschlafen kann und der die ganze Zeit Gedanken durch den Kopf schießen. Ich glaube, viele können sich damit identifizieren.
Was bereitet dir schlaflose Nächte und was lässt dich schlummern wie ein Baby?
Ich habe Gott sei Dank keine schlaflosen Nächte. Aber kurz vor einer Premiere oder wenn etwas Wichtiges ansteht, merke ich, dass es sehr schwer ist, abzuschalten. Was mich schlummern lässt wie ein Baby: Wenn ich an einem Tag alles erledigt habe.
Wenn Kinder etwas nicht schön finden, lassen sie dich das sofort spüren
Du bist am Jungen Theater. Wo sieht man dich in der neuen Spielzeit?
Bei „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“. Das ist das Weihnachtsmärchen, Regie führt Martina van Boxen. Ich bin von Herzen gerne am Jungen Theater, weil ich eine absolute Verantwortung sehe, die nächste Generation und damit unser nächstes Publikum heranzuziehen. Es ist wichtig, ihnen die Bedeutung des Theaters und welche Kraft es für die eigene Fantasie hat, spielerisch nahezubringen. Ich bin sehr froh, diesem phantastischen Team anzugehören. Ich werde noch in 1-2 weiteren Produktionen zu sehen sein, aber darüber kann ich noch nicht sprechen.
Was ist anders, wenn das Publikum aus Kindern besteht?
Kinder sind ungefilterter. Wenn Kinder etwas nicht schön finden, lassen sie dich das sofort spüren. Mit Ignoranz oder im schlimmsten Fall lauthalsem Stören. Kinder sind als Publikum also eine größere Herausforderung. Das sollte man ihnen aber nicht wegnehmen, auch den Erwachsenen übrigens nicht. Auch sie haben das Recht, ihrer Meinung freien Lauf zu lassen und notfalls reinzubrüllen „Was ist das denn für ein Scheiß?“. Oder einfach zu gehen, statt so etikettiert dazusitzen und nach vorne zu schauen. Ich glaube auch, dass wir neue Räume erschließen müssen, also die Stadt als Bühne erschließen. Es gibt hier leider Gottes viele Leerstände, wo wir genau das tun können.
Die Öffnung des Theaters in die Stadt hinein war auch schon ein wichtiger Punkt in der Intendanz von Knut Weber. Und der neue Intendant Oliver Brunner will das Theater ebenfalls stärker in der Gesellschaft verankern.
Genau. Wir sind ein Stadttheater, wir sind für die Stadt. Während der Kammerspiele wurde ganz schlimme Politik gemacht: Schulen in Containern und Theater in Palästen. So verstehe ich das Ingolstädter Theater nicht. Wir sind immer für unser Publikum da und machen für unser Publikum Theater. Wir sind beispielsweise mit dem Tanzstück „Murmeln“ in die verschiedenen Viertel der Stadt gegangen und haben an den Spielplätzen getanzt. Musik an und das Publikum kam. Die Leute haben sich wirklich gefreut. Ein anderes schönes Projekt war der Babytanz – das war das Nonplusultra. Die Babys machen irgendwelche Bewegungen vor und wir kopieren sie. Die Babys merken das. Da geht mir total das Herz auf, weil ich ein Spieler bin, der sich gerne bewegt und über den Körper ausdrückt.
Wo lernst du am liebsten neue Texte?
Im Zug, aber das ist natürlich eine teure Angelegenheit (lacht). Also am liebsten gehend durch meine Wohnung.
Spielst du lieber den Guten oder den Bösen?
Alle, denn alles ist interessant und macht Spaß. Jedoch hat das Böse einen gewissen Reiz. Aber meist werde ich in den sogenannten Tiefstatusrollen besetzt. Das ist der, der sich eher unterordnet, der eher weich und nicht der harte Kerl ist.
Was war ein besonders schöner Moment in deiner Karriere?
Immer, wenn man eine Premiere zusammen erlebt hat – wider aller Widerstände, die aufkamen. Wenn man als Ensemble dasteht und weiß, man hat es geschafft, ist das ein unbeschreiblich schöner Moment. Und ein ganz besonders schöner Moment war, als ich für eine blinde Frau gespielt habe. Sie saß im Publikum und kam danach zu mir. Ich habe mich vor ihr verbeugt und mich bedankt, dass sie gekommen ist. Und dann hat sie sich auch verbeugt. Das war mega abgefahren. Sie hat meine Bewegung gehört. Das fand ich so unfassbar schön, weil ich germekt habe, dass sie das Stück auch gesehen hat, aber in ihrer Fähigkeit.
Gab es Rollen, die für dich persönlicher waren, weil es Parallelen zu deinem Leben gab?
In der letzten Spielzeit fand ich Brüder Löwenherz sehr berührend. Es war emotional sehr anstrengend, weil es mich sehr an den Tod meines Vaters erinnert hat. Was aber auch irgendwie schön war, weil er so wieder sehr präsent in meinem Leben war. Ich bringe meinen Kindern bei, dass Menschen, die wir lieben, nicht einfach weggehen, wenn sie sterben, sondern in unseren Herzen bleiben. Wenn ich jetzt meine Kinder frage „Wo ist denn der Opa?“, dann sagen sie „Im Herzen“. Das finde ich sehr wichtig. Das war also eine Produktion, die mir echt nahe ging. Da musste ich immer dagegen arbeiten, dass es mich nicht so aus der Bahn wirft. Natürlich ist auch das Thema Kindstod, wenn man selbst Kinder hat, nicht so leicht. Aber es ist ein schönes Stück geworden. Für alle, die es nicht gesehen haben: Wir nehmen es wieder auf! Unbedingt kommen, unbedingt anschauen.
Auf Instagram bist du häufig mit deinem Kumpel Ben Lang zu sehen. Was verbindet euch?
Außer der Freundschaft: die absolute Passion für Mode. Wir wollen etwas machen und dem Ganzen gemeinsam nachgehen – ich will es aber noch nicht aussprechen. Ben ist auf jeden Fall ein stilsicherer Mann (Anm., Ben Lang ist Ihnen in der Stadt vielleicht schon einmal begegnet. In der Regel trägt er Anzug, Hut und Stock).
Was denkst du, ist das Interessanteste an dir?
Dieser tiefe Glaube und diese unfassbare Liebe, die ich erstmal jedem bereit bin entgegenzubringen. Ob ich ihn kenne oder nicht. Ich habe ein unfassbar großes Herz, gefüllt mit ganz viel Liebe und die will ich ganz viel geben.
Ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für das Interview und Hals- & Beinbruch.
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