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Einfach griabig
Autorin im Gespräch über ihr erstes Buch
„Bayerisch Hygge“ ist eine Lebenseinstellung, sagt Martina Wölfert. „Mit ihr lebt es sich einfacher und entspannter. Mit Bayerisch Hygge haben wir mehr Klarheit und Gelassenheit und gefühlt mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge. Wir nutzen den Zusammenhang zwischen den Räumen und dem, wie wir leben möchten, ganz bewusst.“
Martina hat auch eine Feng-Shui-Ausbildung absolviert, ein Feng-Shui-Regelbuch ist „Bayerisch Hygge“ allerdings nicht, wie sie selbst sagt. Dennoch finden sich ein paar Grundlagen der chinesischen Harmonielehre darin. Neben ihrem Buch bietet Martina einen Online-Kurs und ein 1:1-Coaching für „Bayerisch Hygge“ an, zusätzlich eine Feng-Shui-Beratung. Mehr dazu: bayerischhygge.de
Für das Interview haben wir sie in ihrem großen Garten im Baumhaus ihrer Kinder fotografiert.
Martina, warum wolltest du ein eigenes Buch schreiben?
Es war der Drang, mit meiner Philosophie rauszugehen. Ich habe gemerkt, dass viele am Limit sind. Es sind, v.a. nach Corona, viele Fässer in Familien oder Betrieben übergelaufen. Das muss nicht sein, wenn man einen Schritt zurückgeht, nachdenkt und es sich so einrichtet, wie man es selbst benötigt, statt sich nach anderen zu richten – und da geht halt sehr viel über die Wohnung. Man lebte während Corona zurückgezogener und merkte schnell, wenn die Wohnung nicht passt. Ich glaube, dass vielen Menschen die Auswirkung von „Wie wohne ich?“ zu „Wie gestaltet sich mein Leben?“ nicht klar ist.
Hast du auch selbst einmal die Notwendigkeit nach einer Art Leitfaden gespürt, weil du dich in den eigenen vier Wänden nicht wohlgefühlt hast?
Ja, meine erste Wohnung war ganz ungünstig für mich. Ich habe mich dort überhaupt nicht wohlgefühlt und hatte daher auch nicht die Kraft, es mir dort schön zu machen. Die Wohnung haben damals meine Eltern rausgesucht. Da habe ich gemerkt, was alles falsch laufen kann. Mit dem heutigen Wissen wäre das aber eine ganz gute Wohnung (lacht).
Der Hygge-Begriff kommt aus der dänischen Lebensart: Man schafft sich eine gemütliche, herzliche Atmosphäre, in der man das Leben genießen kann.
Hygge ist eigentlich ursprünglich ein norwegischer Begriff, aber aus Dänemark bekannter. In Deutschland wird suggeriert, dass Hygge auf Wohnen und Accessoires zentriert ist. Das ist es nicht. Die Dänen verwenden den Hygge-Begriff eigentlich nicht so oft, weil es so selbstverständlich ist. Sie sagen aber schon „Wir hyggen uns“, d.h. sie treffen sich und machen sich miteinander eine schöne Zeit.
Was genau verstehst du unter dem Begriff „bayerisch“ Hygge?
Dieses Hygge – also diese Gemütlichkeit, Achtsamkeit, Bedachtheit – wie es die Dänen machen, das können wir auch. Und das ziehe ich nach Bayern. In Bayern heißt es griabig und man verbindet es oft mit dem Sitzen im Bierzelt – aber das ist halt nicht alles. „Bayerisch Hygge“ soll sich über den ganzen Alltag ziehen.
Wie können Menschen in einem hektischen Alltag das Prinzip von Bayerisch Hygge in ihr Leben integrieren?
Am einfachsten ist es, im Außen zu beginnen. Wenn man Ordnung in sein Zuhause bringt, wirkt sich das positiv auf den Alltag und die innere Ruhe aus. Dazu gehört, Dinge auszusortieren, die zu viel sind. Es geht darum, sich zu fragen: Was brauche ich wirklich? Was möchte ich in meinem Leben behalten? Man muss sich mit all den Dingen ja trotzdem beschäftigen, selbst wenn wir sie nicht nutzen. Eine volle Garberobe, an der man täglich vorbeigeht und denkt „Die müsste ich mal aufräumen“ bzw. überall dort, wo es heißt, „Du musst mal das, du musst mal jenes“: das ist unser Stress.
Aber wahrscheinlich ist Bayerisch Hygge nicht zu verwechseln mit dem Minimalismus…?
Es geht ein Stück in die Richtung, aber es gibt auch den Minimalismus, wo es zu wenig wird. Viele Menschen wünschen sich irgendetwas in ihrem Leben und dafür muss man natürlich auch Raum geben. Man muss aber genauso loslassen können.
Jetzt trennen sich manche Leute aber schwer von Dingen.
Was heißt, man trennt sich schwer? Wenn es mir Spaß macht, einen großen gefüllten Kleiderschrank zu haben, muss man sich von nichts trennen. Aber in dem Moment, in dem es einen stresst, sollte man sich von Sachen trennen. Ich glaube, wenn einmal klar ist, dass wir Dinge nur benutzen, um uns gut zu fühlen, um es uns einfacher zu machen, dann fällt es leichter.
In deinem Buch gehst du Raum für Raum durch das Zuhause der Leser.
Genau, wir setzen uns in jeden Raum und schauen ihn uns genau an. Da geht es um praktische Sachen: Wie sortiere ich etwas ein? Wie erstelle ich Kategorien oder Kontingente? Wenn man es sich leichter machen möchte, legt man fest, nur eine bestimmte Menge von etwas zu behalten. Oder man bringt die Schönheit mit rein: Was gefällt mir – und was kann ich Schönes dazu tun? Hinzu kommt das Philosophische: Wir reflektieren über die Tätigkeiten, die in diesem Raum stattfinden sollen. Will ich mehr kochen? Mehr Freunde einladen? Dann brauche ich dafür den entsprechenden Platz und die passenden Dinge.
Ich glaube, dass vielen Menschen die Auswirkung von „Wie wohne ich?“ zu „Wie gestaltet sich mein Leben?“ nicht klar ist.
Wie verändert die Gestaltung des Wohnraums die Stimmung und das Lebensgefühl?
Ich war kürzlich im Rahmen meiner Hygge-Beratung in einer Wohnung. Wir haben nur den Esstisch umgestellt. Sofort war der Unterschied spürbar: Statt nach dem Essen gleich wieder aufzustehen, blieben die Leute sitzen und führten nette Gespräche. Das ist jetzt ein kleines Beispiel, aber im Prinzip ändert sich mit Bayerisch Hygge alles. Du fängst an, dir Gedanken zu machen. Machst du noch den richtigen Job? Sind die Arbeitszeiten die richtigen für mich? Ich will eigentlich Familie, passt der Job eventuell nicht dazu? Es zieht sich also hin zu den großen Themen. Wie möchte ich leben? Wo möchte ich leben? Mit wem möchte ich leben?
Die wenigsten Leute werden vermutlich gleich das ganze Haus umkrempeln. Wie würdest du starten?
Also es gibt Menschen, die es so einfach wie möglich haben wollen. Die fangen meistens mit einer kleinen Schublade an. Oder mit der Sache, mit der es ihnen am leichtesten fällt. Und es gibt Leute, die eine große Veränderung wollen. Man braucht in fast allen Fällen nichts neues. Es ist alles schon da, es ist nur, ich sage mal, falsch sortiert. Also an der falschen Stelle. Und fast alles, was wir zum Umgestalten brauchen, ist auch im Haus.
Dein Buch stellt viele individuelle Fragen, um die Leser zum Nachdenken über ihr Zuhause anzuregen. Was steckt dahinter?
Ich möchte den Lesern keine Vorschriften machen, sondern zur Selbstbestimmung anregen. Ich glaube, viele Menschen haben mehr Freiheit, als sie sich zugestehen. Jeder soll sein Zuhause und Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten können, natürlich ohne andere zu benachteiligen. Das ist auch der Inbegriff von Hygge: Es geht um Gemeinschaft und Miteinander, nicht um einen Egotrip. Man macht das, was man selbst für sich als schön empfindet und spricht darüber mit Freunden oder der Familie, um rauszufinden, wo man gemeinsam hinwill.
„Bayerisch Hygge“ soll also auch Einfluss auf andere Lebensbereiche, wie Beziehungen oder die Arbeit, haben?
Auf jeden Fall. Das ist der Sinn der Sache. Hygge beschränkt sich nicht auf Wohnaccessoires. Das verstehen auch die Skandinavier nicht darunter. Es geht darum, ein Zuhause zu schaffen, in das man gerne zurückkehrt und in dem man Kraft tanken kann. Das gibt einem die nötige Energie für den Alltag und lässt einen offener auf andere Menschen zugehen – und andere Menschen kommen offener auf einen selbst zu.
Du zeigst auf Instagram auch, dass in euren Kinderzimmern auch mal richtiges Chaos herrschen kann.
Dieses cleane, total aufgeräumte Umfeld, bedeutet für mich Unwohlsein. Für mich muss das Zuhause zwar schon eine gewisse Klarheit haben, aber man man lebt ja auch in dem Haus und es darf natürlich gespielt werden. Wichtig ist, dass man flott wieder aufräumen kann. Und auch nicht alleine, sondern gemeinsam mit den Kindern. Alles sollte seinen Platz haben. Es überlastet ein Kind ebenfalls, wenn es zu viel hat.
Welchen Rat würdest du Menschen geben, die glauben, dass sie zu wenig Platz oder Zeit haben, um ein gemütliches Zuhause zu schaffen?
Als erstes: Man kann nicht alles haben. Und als zweites: Ich bin überzeugt, dass der Platz und die Zeit immer ausreichen, wenn man sich auf das Wesentliche beschränkt.
Gibt es etwas, was du aus deinem Leben verbannt hast?
Verbannt klingt so negativ. Ich verzichte ja auf nichts. Ich gehe etwa ungern auf Elternabende. Das kann ich schneller in einem Vier-Augen-Gespräch mit dem Lehrer klären. Es gibt so viele Kleinigkeiten, wo man sich fragen kann: Ist das überhaupt noch sinnvoll? Ich finde auch, man muss mit den Kindern nicht immer das große Halligalli machen. Etwa Freizeitparks. Man spart viel Zeit und Geld, wenn man einfach mit ihnen rausgeht und z.B. Drachen steigen lässt. Diese Dinge, die im Grunde nichts kosten, aber wo das Kind sich gesehen fühlt, führen zu einer guten Beziehung. Das ist eigentlich auch das Hygge-Gefühl, sich mal treiben zu lassen und die Gemeinsamkeit zueinander zu spüren.
Gibt es bei dir zuhause einen Lieblingsort?
Nein.
Weil überall?
Ja (lacht). Es gibt keinen mehr. Wir haben ein altes Haus nach unseren Vorstellungen umgebaut. Das verändert sich aber, wenn die Kinder größer werden oder man selbst anderen Tätigkeiten nachgeht – die Wohnung verändert sich mit. Wenn die Kinder ausziehen, sollte man das zeitnah machen. Man muss nicht im großen Haus wohnen bleiben. Auch das Haus ist ein Ding, das wir für eine Zeit lang nutzen.
Aber die emotionale Verbindung ist natürlich extrem.
Ja, aber warum? Wir können es ja nicht mitnehmen.
Tatsächlich wird das Thema „Wohnraum reduzieren“ im Alter immer wichtiger. Wahrscheinlich denken viele darüber nach.
Das muss man auch, um gesund zu bleiben und nicht überfordert zu sein. Oder die andere Möglichkeit: andere Leute einziehen lassen und wieder in einer WG leben.
Martina, vielen Dank für das Interview.
Bayerisch Hygge
erhältlich hier:
Buchhandlung Stiebert, IN
und bayerischhygge.de
ISBN 978-3-00-078228-2
228 S, 39 Euro
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