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Fundstück der Woche: Wenn die Alarm-Sirenen ertönen

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Fundstück der Woche: Wenn die Alarm-Sirenen ertönen

Foto: Adobe Stock / olly

Worüber stolpert das espresso-Team im Alltag? In unserer neuen Serie stellen wir das „Fundstück der Woche“ vor. Den Anfang macht Redakteur Sebastian mit einer Werbeanzeige.

Eigentlich habe ich nie besonders gerne Bücher gelesen. Gelesen habe ich immer und viel, aber eben eher Comics und alles, was so im Internet zu finden war, als den dicken Schinken aus dem Bücherregal. Schullektüren? Ein ewiger Graus. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich die erste Seite von Fontanes Effi Briest las und mir dachte: Das ist es nicht wert. Ich habe das Buch zugeschlagen und nie wieder geöffnet.

Schon vor einigen Jahren hat sich das geändert. Auch, weil ich akzeptiert habe, dass so mancher Klassiker, den man gelesen haben muss, eben einfach nichts für mich ist. Seitdem stapeln sich die Bücher in meinem Besitz. Bei der Errichtung der eigenen Bibliothek kann man sich finanziell ins Unglück stürzen – oder man kauft sie gebraucht für den berühmten schmalen Taler. Eine dieser Möglichkeiten ist der von Vroni’s Ratschhaus organisierte Bücherbasar. Ein- bis zweimal pro Jahr findet er seit 2018 statt, verpasst habe ich noch keinen. Jedes Buch kostet hier einen Euro, der Erlös wird für einen guten Zweck verwendet.

Eine Zeitschrift im Bücherberg

Am vergangenen Samstag war es wieder soweit und das bringt uns dem „Fundstück der Woche“ ein gutes Stück näher. Das Fundstück hat in gewisser Weise etwas mit dem espresso-Tagesgeschäft zu tun. Es handelt sich um eine Werbeanzeige in einer Zeitschrift. Werbeanzeigen, wie sie auch bei uns zu finden sind – und doch so viel anders. Die Anzeige erschien nämlich in der Zeitschrift „Der Adler“, Erscheinungsdatum: 29. Februar 1944. Die Zeitschrift: ein Propagandablatt im Nationalsozialismus. Chefredakteur: Georg Böse (nomen est omen). Inmitten der vollgepackten Bücherkisten habe ich die Zeitschrift selbst gar nicht entdeckt. Entdeckt hat sie meine Mutter, geschenkt hat sie sie mir.

Über die Gräuel des Nationalsozialismus  wurde in den vergangenen Jahrzehnten viel geschrieben und viel habe ich darüber gelesen. Jedes Wort davon werden wir brauchen, wenn der letzte Zeitzeuge gestorben ist. Es lohnt sich aber auch der Blick in den Propagandapparat der 30er und 40er Jahre. Mit viel Interesse blättere ich also durch diese Zeitschrift aus dem Jahre 1944. Mein Blick fällt dabei unweigerlich auf eine kleine Sparte mit Werbanzeigen. Eine davon preist eine Kamera an, deren Name auch heute noch vielen ein Begriff ist: die Leica.

Werbeanzeige in der Zeitschrift "Der Adler" vom 29. Februar 1944

Was ist so interessant an dieser Anzeige einer Kamera, dass ich sie zum Fundstück der Woche mache? Vor 76 Jahren wurde sie gedruckt. 76 Jahre, das ist keine lange Zeit. Ein Katzensprung in der Geschichte der Menschheit. Unvorstellbar aus heutiger Sicht die Flucht in den Schutzraum, das eilige Packen der Habseligkeiten. Die Furcht. Zumindest dann, wenn man in Deutschland lebt. Es ist wichtig, sich diese kurzen Zeiträume vor Augen zu führen. Der Zeitraum zwischen Frieden und totaler Zerstörung mag unter Umständen ein sehr kurzer sein. Für viele Menschen auf der Welt ist der Friede weit entfernt. Es ist wichtig, sich darüber im Klaren zu sein.

Was würden wir heute mit in den Schutzraum nehmen? Vermutlich das Smartphone – und mit ihm eine Kamera. Wenn am Donnerstag um 11 Uhr anlässlich des 1. bundesweiten Warntags die Alarm-Sirenen ertönen, sollten wir dankbar sein. Dankbar, dass wir in aller Ruhe warten können, bis die Sirenen wieder verstummen.

Sebastian Birkl

Redakteur
Achja, einen "Klassiker" habe ich beim Bücherbasar von Vroni's Ratschhaus übrigens doch mitgenommen. Im Westen nichts Neues von Erich Maria Remarque. Ein Antikriegsroman.

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