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„Das GKO ist eine Energiebombe“
Ariel Zuckermann hat in Ingolstadt sehr erfolgreiche Jahre verbracht. Der aus Israel stammende Dirigent und Flötist leitete von 2006 bis 2011 das Georgische Kammerorchester. Jetzt ist er an die Donau zurückgekehrt, um dem Orchester neuen Schwung zu verleihen.
Herr Zuckermann, wie fühlt es sich an, nach so langer Zeit nach Ingolstadt zurückzukehren?
Es ist schön, jetzt wieder zu den Wurzeln zurückzukehren. Für mich fühlt es sich wie ein Nachhausekommen an. Ich durfte mit dem Orchester sehr schöne und erfolgreiche Jahre erleben. Ich bin mit vielen damaligen Weggefährten über die Jahre in Kontakt geblieben und fühle mich immer noch sehr verbunden mit der Stadt, mit den Ingolstädtern und mit dem Orchester.
Wie kam es zu Ihrem erneuten Engagement beim GKO?
Das kam für mich eigentlich ganz überraschend. Es war gerade der Beginn der Pandemie, als die Stadt Ingolstadt und das GKO auf mich zukamen. Am Anfang war ich mir nicht sicher, ob ich das machen sollte, da ich nicht mehr so viel Zeit habe wie noch vor 10 Jahren. Wir haben dann aber für mich und das Orchester eine gute Lösung gefunden. Ich werde zwar weniger machen als das letzte Mal, aber ich bin in ständigem Kontakt und helfe der neuen Leitung so gut wie möglich.
Was reizt Sie daran, diesen Job noch einmal zu übernehmen?
Es ist eine spannende Aufgabe, weil gerade eine Aufbruchstimmung im Orchester zu spüren ist. In den letzten Jahren haben sich die Strukturen im GKO deutlich verbessert: Wir haben eine Vollzeit-Geschäftsführung, das Orchester ist als A-Orchester eingestuft worden und die finanzielle Lage und die Gehälter sind besser geworden. Wir denken aktuell darüber nach, den Namen des Orchesters zu verändern, um den Bezug zu Ingolstadt deutlicher zu machen und es internationaler auszurichten. Wir spielen auch mit dem Gedanken, die Besetzung zu vergrößern. Es gibt viele Dinge, die mir aktuell sehr gut gefallen. Gerade in diesen Zeiten, in denen alle Kultureinrichtungen etwas kürzer treten müssen, ist es schön zu sehen, dass beim GKO eine Aufbruchstimmung vorhanden ist und vieles neu gedacht wird.
Was gefällt Ihnen an Ingolstadt?
Ingolstadt ist eine echte Perle in Bayern. Es ist sehr gemütlich hier, die Stadt hat ein gewisses Flair, das anderen Städten fehlt. Über die Jahre, die ich in Ingolstadt verbracht habe, habe ich viele Menschen kennengelernt. Ingolstadt ist dadurch für mich eine Heimat geworden.
Sie sind beruflich in der ganzen Welt unterwegs. Gibt es noch eine wirkliche Heimat für Sie?
Ich bin etwa zwei bis drei Monate im Jahr in Israel. Dort habe ich meine Familie und meine Kindheitsfreunde. Dort ist meine richtige Heimat. Aber meine Basis ist gerade in Berlin und in Deutschland. Ich bin mittlerweile schon mehr als die Hälfte meines Lebens in Deutschland.
ZUR PERSON
Sie haben weltweit mit vielen Orchestern gearbeitet. Was macht das GKO Ihrer Meinung nach im Kern aus und was unterscheidet es von anderen Orchestern?
Das GKO ist eine Energiebombe. Das Orchester hat eine enorme Energie, das spüre ich als Dirigent, aber auch das Publikum. Energie ist der Anfang von allem. Mit dieser Energie kann man so viele Sachen machen. Es ist pure Lebensfreude, wenn alle Probleme zur Seite gelegt werden und man probt oder Konzerte spielt. Dann lebt man einfach im Moment, ist nur noch für die Musik, für das Publikum, für die Komponisten und füreinander da.
Welchen Weg wollen Sie nun mit dem Orchester einschlagen, und inwiefern wird er sich vom Weg Ihres Vorgängers Ruben Gazarian unterscheiden?
Ich schätze Ruben sehr und ich danke ihm für die Arbeit, die er geleistet hat. Natürlich ist jeder Dirigent anders, hat andere Vorstellungen und Energien. Das ist aber auch das Schöne. Jetzt fängt einfach eine neue Epoche an. Ich habe natürlich meinen eigenen Stil. Meine Art von Solistenprogrammen wird jetzt durchgesetzt. Wir wollen viel experimentieren und neue gute Leute sowie alte Bekannte holen, die dem Orchester gut getan haben und das Orchester in der Vergangenheit nach vorne gebracht haben. Wir werden Gäste holen, die übrigens alle sehr gerne mit dem Orchester arbeiten, weil die Energie des Orchesters einfach ansteckend ist.
Sie sprechen davon mehr experimentieren zu wollen. Was genau meinen Sie damit?
Mir ist es wichtig, Brücken zwischen den Künsten zu schlagen. Ich möchte die Klassische Musik verbinden mit Video-Kunst, Tanz, Theater – Sachen, die wir auch früher schon gemacht haben. Eine Überlegung ist beispielsweise, ein Late-Night-Konzept auszuarbeiten, also eine abendliche Show mit DJ, etwas lockerer und kürzer als unsere klassischen Konzerte, jeder bekommt ein Bier und wir feiern zusammen eine Party. Solche Dinge, die ein anderes Publikum und eher die Jüngeren ansprechen, möchten wir in Zukunft öfter ausprobieren. Der Schwerpunkt wird auch auf dem Nachwuchs liegen, das heißt wir werden mehr Konzerte für Kinder spielen, dabei darauf Wert legen, dass es sich um neue und originelle Stücke handelt, nicht die altbekannten Klassiker, die schon jeder kennt.
Generell wollen wir die Distanz zwischen den Musikern und dem Publikum im Saal verringern. Denn letztendlich befinden wir uns bei einem Konzert doch alle in einer großen Kugel aus Energie. Das Publikum gehört fest dazu und wir möchten es deshalb mehr in das Schaffen des Orchesters integrieren.
Musik ist für mich die tollste Sprache der Welt
Haben Sie in dieser Hinsicht schon Erfahrungen gesammelt?
Ich habe schon viele Sachen ausprobiert. Erst vor wenigen Wochen habe ich mit dem Israel Chamber Orchestra eine Art von Open-Air-Party mit 2.000 Leuten gefeiert. Wir haben dort Barockmusik gespielt. Die meisten Menschen im Publikum haben ein so großes Orchester noch nie live gesehen. Diese Leute, die nie mit Klassischer Musik in Berührung gekommen sind, haben in dieser Atmosphäre, die ihnen bekannt ist, das erste Mal den Kontakt mit der Klassischen Musik gefunden. Es war eine tolle Stimmung. So ähnlich stelle ich mir die Akademiekonzerte vor 300 Jahren vor, wo die Leute auch zusammengekommen sind, um sich zu unterhalten und zu feiern und gleichzeitig Musik gespielt wurde.
Wird denn für das etablierte Publikum, das gerne das Altbekannte hört, auch etwas geboten sein?
Ja, auf jeden Fall. Das Abo-Publikum ist der Kern des Schaffens des Orchesters, das wird auch weiterhin so bleiben. Bei den Experimenten, die ich angesprochen habe, handelt es sich eher um Extra-Projekte, die das Orchester in eine andere Richtung bringen. Der Kern sind die Konzertsäle, abseits davon kann man mit Ausstellungen, Partys oder Theaterstücken experimentieren.
Auf welche Highlight freuen Sie sich besonders in dieser Saison?
Jedes Konzert ist ein Highlight für mich. Sehr gefreut hatte ich mich auf mein erstes richtiges Konzert in diesem Jahr, es wäre im November gewesen, musste aber leider abgesagt werden, weil wir einen Corona-Fall im Orchester hatten. Dort wäre die Pianistin Eliso Virsaladze, eine Legende der Musikwelt und eine alte Freundin des Orchesters aufgetreten. Sie war seit 12 Jahren nicht mehr bei uns – apropos Energie, sie ist wirklich ein Feuerwerk! Wir hoffen, dass wir dieses Konzert bald wiederholen können. Aber wie gesagt, jedes einzelne Konzert ist ein Highlight für mich.
Was macht für Sie persönlich den Reiz von Klassischer Musik aus und was hören Sie privat am liebsten?
Ich höre nicht nur Klassische Musik. Meistens höre ich viele andere Musik-Genres, ich interessiere mich für jede Art der Musik, die gut präsentiert ist und eine gute Qualität hat. Die Klassische Musik ist bei uns Musikern sowieso 24 Stunden im Kopf, deshalb höre ich gerne etwas anderes zum Entspannen.
Klassische Musik ist für mich eine der schönsten Künste überhaupt. Was man ohne Worte in dieser Tiefe sagen kann, ist unglaublich. Das spürt auch das Publikum, es wird berührt dadurch oder verärgert oder angetan, auf jeden Fall macht es etwas mit den Menschen. Musik ist für mich die tollste Sprache der Welt, die alle Menschen miteinander verbindet. Gerade wenn ich mit jüngeren Orchestern arbeite, merke ich das. Dort sehe ich 50 verschiedene Nationalitäten, die mit Freude zusammen musizieren, obwohl sie nicht miteinander reden können.
Mich beeindruckt auch die Kraft, die Schönheit der Vergangenheit nur durch ein Blatt Papier mit Noten zum Leben zu erwecken. Das ist unerhört, das ist das Schönste, was es gibt.
Herr Zuckermann, vielen Dank für das Gespräch.
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