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Der Urban Sketcher
Es gibt sie überall auf der Welt; die Urban Sketchers. Zeichnung für Zeichnung zeigen sie die Orte, an denen sie leben oder die sie bereisen. Die Urban Sketchers sind eine Gemeinschaft von Künstlern. Auch in Ingolstadt findet man sie. Einer von ihnen ist Peter Harms. Mit espresso spricht er über das Manifest, das sie alle verbindet.
Peter Harms
Ins Leben gerufen hat das Urban Sketching der Journalist und Illustrator Gabriel Campanario im Jahr 2007. Alles begann auf der Online-Fotoplattform Flickr. Bis heute spielen die Sozialen Medien eine große Rolle in der Bewegung. Das Manifest – bestehend aus acht Punkten – hält nämlich folgendes fest: Wir veröffentlichen unsere Zeichnungen online. Das tun sie u.a. über Facebook, Instagram, Blogs und andere Plattformen. So fand auch Peter Harms Zeichner auf Bermuda, bevor er überhaupt das Segelboot betrat.
DAS MANIFEST
EINS
Wir zeichnen vor Ort, drinnen oder
draußen, nach direkter
Beobachtung.
ZWEI
Unsere Zeichnungen erzählen die
Geschichte unserer Umgebung, der Orte an denen wir leben oder zu denen
wir reisen.
DREI
Unsere Zeichnungen sind eine
Aufzeichnung der Zeit und
des Ortes.
VIER
Wir bezeugen unsere Umwelt
wahrhaftig.
FÜNF
Wir benutzen alle Arten
von Medien.
SECHS
Wir unterstützen einander und
zeichnen zusammen.
SIEBEN
Wir veröffentlichen unsere
Zeichnungen online.
ACHT
Wir zeigen die Welt, Zeichnung
für Zeichnung.
Peter Harms stammt gebürtig aus Hamburg, ist aber in Erlangen aufgewachen und verbrachte als Kind auch drei Jahre in Südamerika. 10 Jahre lebte er in Schleswig-Holstein. „Dort habe ich die Leidenschaft für das Segeln und das Meer entdeckt“, erklärt er. 1995 kam der inzwischen 61-Jährige schließlich nach Ingolstadt. Im Kontrast zum Künstlerdasein mit Hang zum Segeln steht sein Beruf. Peter Harms ist Ingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik. Den größten Teil seines Berufslebens arbeitete er bei Airbus. Beruflich also zur Luft, statt zur See. Und strenge Hierarchie, statt der Freiheit der Künstlergemeinschaften.
„Was mich am Urban Sketching so fasziniert hat, war, dass es ohne starre Strukturen auskommt“,
sagt Peter Harms. Also kein Verein, kein Chef, keine strikte Organisation. „Der soziale Aspekt ist für mich dabei sehr wichtig. Ich komme viel mit Menschen in Kontakt, die in Ingolstadt mit Kunst zu tun haben. Der Austausch, der darüber entsteht, das voneinander Lernen, ist das, was mir gefällt.“ Ganz im Sinne des Manifests: Wir unterstützen einander und zeichnen zusammen.
Seit rund 20 Jahren beschäftigt sich Peter Harms aktiv mit dem Zeichnen. Begonnen hatte es mit dem Akt-Zeichnen. Er schloss sich einer Gruppe im Ingolstädter Bürgerhaus an und leitet sie seit vielen Jahren sogar selbst. Viele Akt-Zeichner schwappten zum Urban-Sketching über, als Peter Harms ihnen von der Bewegung erzählte und die ersten zwanglosen Treffen initiierte. Eine eigens eingerichtete Whatsapp-Gruppe zählt mittlerweile über 30 Mitglieder – bei den regelmäßigen Treffen zum gemeinsamen Zeichnen sind in der Regel 5 bis 10 Leute davon anwesend. „Wer mitgehen will, geht mit“, sagt Harms. Was die Ingolstädter Urban Sketcher so zeichnen, findet man auf dem Instagram-Account @usk_ingolstadt. „Durch das Teilen auf Sozialen Medien entsteht etwas, das mehr ist, als sich einfach nur lokal zu treffen.“
Wie und wann er das erste mal von der Bewegung gehört hat, weiß er gar nicht mehr so genau. Sein erstes Skizzenbuch hat er aber natürlich noch. Die erste Skizze darin entstand im Ingolstädter Café Tagtraum. „Viele Maler und Zeichner beschäftigen sich intensiv damit, welches Papier sie verwenden, welche Stifte, welche Farben… Man kann eine richtige Wissenschaft daraus machen.“ Peter Harms malt mit einem BIC-Kugelschreiber, der nicht einmal 50 Cent kostet: „Er ist perfekt zum Zeichnen, ein Kugelschreiber hat eine ganz große Dynamik. Ich kann damit hauchfeine Linien zeichnen, die man fast nicht mehr sieht – aber auch fett schwarz.“ Nur Radieren – wie beim Bleistift – geht damit natürlich nicht. Das sei auch das Tolle daran, sagt der Hobby-Künstler. „Es ist, wie Musik zu machen. Bei einem Konzert kann man einen Ton auch nicht einfach wieder zurücknehmen. Viele verbinden Zeichnen mit probieren und radieren, das Skizzieren lebt für mich davon, dass das eben nicht geht. Man zeichnet aus dem Gefühl heraus. Es ist ein spannender Prozess, man muss sich darauf einlassen können.“ Der Anfang ist dabei für viele gar nicht so einfach. „Manche sitzen vor dem weißen Papier und wissen nicht, wie sie anfangen sollen. Sie haben Angst davor, einen Strich zu machen, der nicht in die Zeichnung passt.“
Wie geht er selbst an eine neue Skizze heran? „Das ist ganz unterschiedlich. Je nachdem, was mich interessiert oder fasziniert. Wenn es architektonisch kompliziert ist, schaue ich, wie die Perspektive verläuft, wo die Fluchtpunkte sind. Manchmal beginne ich mit Details, die ich gerade witzig finde. Drumherum entsteht dann das Bild. Je mehr Zeit ich mir lasse, umso schwieriger ist es, etwas Lebendiges zu schaffen. Dann wird es irgendwann sehr konstruiert.“
„Das Wichtigste ist, dass man gucken muss – also bewusst gucken. Jeder läuft mit einem Kopf voller Vorstellungen herum, wie etwas aussieht. Ein Apfel ist rund und hat einen Stiel. In der Realität sehen die Sachen aber anders aus. Da ist Licht und Schatten und die Perspektive…“,
erklärt Peter Harms. Allen, die Lust auf Urban Sketching bekommen haben, rät er Folgendes: „Vorbeikommen und mitmachen. Viele Menschen, die gerne zeichnen würden, haben eine Hemmschwelle, es öffentlich zu tun. In der Gruppe ist es ganz lässig, man unterhält sich, sieht, was die anderen machen – und hilft sich gegenseitig.“ Die gegenseitige Unterstützung ist ein zentraler Punkt des Manifests.
Was ist für Peter Harms das Tolle am Zeichnen? „Die Orte, die ich gezeichnet habe, werde ich nie wieder vergessen. Viele Dinge im Leben habe ich sicher nicht mehr so präsent, aber das, was man gezeichnet hat, ist noch da, weil man da ganz intensiv guckt.“ Mit den Skizzen können auch andere daran teilhaben. Denn Zeichnung für Zeichnung zeigen die Urban Sketchers die Welt.
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