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"Wir verstehen uns als Korrektiv"
FW-Oberbürgermeisterkandidat Hans Stachel im Gespräch
Hans Stachel, dessen stets perfekt getrimmter Schnauzbart beim Sprechen fröhlich auf und ab hüpft, versprüht eine Mann-des-Volkes-Aura. Sein Leben ist geprägt von Vereinsarbeit und dem ständigen Austausch mit anderen Menschen. Das macht sich im Gespräch bemerkbar. Er hört zu, zeigt sich offen für andere Meinungen und ist bereit, zu jeder Frage, die ihm gestellt wird, ausführlich Auskunft zu geben. Er redet gerne. Dabei muss es nicht immer um hochtrabende politische Themen gehen, auch die kleinen Dinge des Lebens sind es wert, besprochen zu werden. Stolz erzählt er gleich von seinem Wohnmobil, das im Hof neben dem Haus steht. Ein Luxus, den sich die Familie vor einigen Jahren geleistet hat. Für Hans Stachel und seine Frau gibt es keinen besseren Weg, Abstand vom stressigen Alltag zu bekommen. Oft wissen sie nur grob die Richtung, in die sie fahren möchten, das Ziel der Reise ergibt sich dann spontan. Für den Unternehmer Stachel, der einen Heizungs- und Sanitärbetrieb seit über 20 Jahren in dritter Generation führt, ist das die einzige Möglichkeit, einfach einmal abzuschalten.
Herr Stachel, freuen Sie sich schon auf die Rente und die damit verbundene Freizeit?
Mein Ziel war immer, mit 55 Jahren so frei zu sein, dass ich mich noch einmal neu entscheiden kann. An dem Punkt bin ich jetzt angekommen. Ich bin viele Jahre politisch in der zweiten Reihe geblieben, weil die Familie für mich immer an erster Stelle gestanden hat. Danach kam das Unternehmen. Und dann erst die Politik. Mittlerweile sind die Kinder erwachsen und aus dem Haus, die Firma läuft auch ohne mich weiter. Diesen Freiraum möchte ich jetzt nutzen, um mich stärker in der Politik zu engagieren.
Warum fiel die Entscheidung letztendlich für die Politik und gegen mehr Freizeit?
Ich würde mich immer engagieren, nur Urlaub machen ist langweilig. Außerdem wird mir immer wieder gesagt, dass bei mir eine Fähigkeit für die Politik vorhanden ist.
Welche Fähigkeiten werden Ihnen zugesprochen?
Durch meine offene Art kann ich mit allen reden. Ich habe klare Meinungen und die Menschen wissen, woran sie bei mir sind. Das macht Gespräche über schwierige Themen dann oft einfacher. Ob rot oder grün oder BGI, da mache ich keinen Unterschied.
Auch bei der AfD?
Auch da. Aber da beschränkt sich der Kontakt auf den Sitzungssaal. Da ist für mich persönlich die Grenze. Das wird uns im Stadtrat ganz stark beschäftigen, wo wir diese Grenze ziehen. Wir werden es meines Erachtens nicht schaffen, uns alle zusammen auf eine Grenze zu eingen. Durch die neuen Mehrheitsverhältnisse wird die AfD mehr Entscheidungsgewalt bekommen. Diesen Zustand möchte ich nicht. Deshalb würde ich die Fühler lieber in die andere Richtung ausstrecken und einen Konsens mit den jetzigen Oppositionsparteien suchen.
Eine Zusammenarbeit mit der AfD halten Sie also nicht für denkbar?
Es wird keine Koaltion zwischen den Freien Wählern und der AfD geben.
Warum?
Die Gruppierung an sich ist das Problem. Ob die Menschen, die diese Gruppierung in Ingolstadt vertreten werden, ein Problem sind, sehen wir erst dann, wenn es so weit ist. So lange die sich auf lokalpolitische Themen beziehen, kann man darüber ganz normal reden. Aber wenn wir eine Asyldebatte führen, dann wird das ganz schnell zu einem parteipolitischen und ideologischen Thema, da muss man hochgradig aufpassen. Wir sollten uns aber nicht als Richter über Gut und Böse aufspielen. Wir dürfen sie nicht verteufeln, weil sie dadurch automatisch Anhänger bekommen, die ich gerne in anderen Parteien sehen würde. Es wird immer links- und rechtsradikale Parteien geben. Das müssen wir als Demokratie aushalten. Die AfD ist bei uns angekommen. Jetzt ist die Frage, wie wir damit umgehen.
Die CSU hat sich kürzlich von Alfred Lehmann distanziert, als bekannt wurde, dass er bei der Vergabe von städtischen Grundstücken als Berater fünfstellige Summen eingestrichen hat. OB Christian Lösel zeigte sich enttäuscht von dem Verhalten seines Vorgängers. Hätte die Distanzierung früher kommen sollen?
Das war für mich der letztmögliche Moment, um die Reißleine zu ziehen. Ich habe zu Alfred Lehmann ein persönliches Verhältnis, das von großer Wertschätzung getragen war. Mir tut es jetzt wahnsinnig weh, das alles zu erleben, weil ich von ihm ein ganz anderes Bild hatte. Und ich kämpfe immer noch damit, das Bild zu korrigieren. Ich kenne ihn seit 1990, als ich Schülersprecher im Berufsbildungszentrum war, wo er damals Schulleiter war. Als wir unzufrieden mit unseren Lehrern waren, hat er uns Schülern den Rücken gestärkt. Ich habe damals schon gemerkt, dass er in Ingolstadt noch etwas bewirken wird. Die Fähigkeiten, die er hat, haben uns in Ingolstadt sehr viel Gutes getan, da bin ich mir ganz sicher. Was jetzt alles rauskommt, reißt das alles leider wieder ein. Vor allem der Imageschaden ist dadurch gewaltig für Ingolstadt.
Um das Image wieder zu verbessern, werden jetzt die Rufe nach mehr Transparenz lauter. Wie gehen Sie damit um?
Ich finde es schwierig, dass das Schreien nach uneingeschränkter Transparenz den Gedanken beinhaltet, dass man hinter jedem Vorgang etwas Böses vermutet. Ich habe mich in letzter Zeit auf den Neujahrsempfängen mit vielen Mitarbeitern der Stadt unterhalten. Viele haben gesagt, dass sie sich nicht mehr trauen zu handeln, zu entscheiden. Früher wurden Kleinigkeiten über kurze Dienstwege geklärt. Heute: Antrag stellen, Rechnung schreiben, bewilligen lassen. Das Problem ist, die Grenze festzulegen, ab wann man von Korruption sprechen kann. Früher haben wir nichts geregelt und jetzt verfallen wir in das andere Extrem, dass wir alles transparent machen müssen. Auch für uns als Freie Wähler war es früher die größte Motivation, der Mauschelei bei der CSU ein Ende zu bereiten. Wir verstehen uns seitdem als Korrektiv, nicht als Koalitionspartner. Früher ist Poltik in der CSU-Zentrale gemacht worden. Heute maximal im Rathaus. Da sind wir schon ein ganzes Stück weiter gekommen.
Können Sie Beispiele nennen, wo die Freien Wähler als Korrektiv eingegriffen haben?
Zum Beispiel beim Thema Donauquerung. Von der CSU alleine wäre das Thema so nie besetzt worden. Die CSU musste es akzeptieren, das mitzutragen. Genauso gibt es auch andere Themen, die wir als Freie Wähler mittragen. Es gibt aber auch Themen, bei denen wir dagegen waren und auch bei unserer Position geblieben sind. Zum Beispiel beim Brückenkopf als Standort der Wirtschaftsschule. Von Anfang an waren wir dagegen, dort eine Schule zu platzieren und sind auch dabei geblieben. Ich muss aber ehrlich dazu sagen, dass wir selber ein Problem damit haben, gut zu beschreiben, wo wir die Wirkung entfalten. Weil wir sie nicht im Sitzungssaal entfalten, sondern in den Vorgesprächen.
Können Sie sich eine erneute Koalition mit der CSU vorstellen?
Die Frage kann man einfach, aber unbefriedigend, beantworten. Erstens kenne ich das Wahlergebnis nicht. Zweitens weiß ich noch nicht, wer mit mir dann im Stadtrat sitzen wird. Und das ist für mich von entscheidender Bedeutung. Ausschließen kann ich Bündnisse mit der AfD und den Linken. Wir werden uns zuerst in der Fraktion verständigen müssen. Und wir haben nicht nur Befürworter einer Zusammenarbeit mit der CSU, das war bei beiden Legislaturperioden haarscharf.
Würde Sie die Rolle des Oppositionellen auch reizen?
Ich habe das im Hintergrund drei Legislaturperioden lang erlebt und ich weiß, wie uneffektiv man sich dabei aufreibt. Ich halte es für abwegig, eine sinnvolle Möglichkeit auszuschlagen, um zu oponieren. Dafür opfere ich meine Zeit nicht. Die oberste Zielsetzung ist immer mitzugestalten.
Fällt das den Freien Wählern leichter, weil sie kompromissfähiger sind als andere Parteien und Vereinigungen?
Das wird uns auch oft als Schwäche ausgelegt. Dass man bei uns nicht weiß, woran man ist. Aber ich sehe das positiv. Ich kann jederzeit auch mit einem Antrag der Grünen mitstimmen, ohne dass ich dabei ein schlechtes Gefühl haben müsste. Das bekommt die CSU in 100 Jahren nicht hin. Dass sie über ihren Schatten springt, etwas zu tun, was von einer anderen Partei vorgeschlagen wird. Das haben wir Jahrzehnte lang erlebt. Die Angst um die Mehrheit nimmt bei der CSU schon fast krankhafte Züge an.
Ist es nicht anstrengend, mit einer solchen Partei zusammenzuarbeiten?
Ja natürlich. Opposition ist lächerlich dagegen. Es ist hundert mal anstrengenderer, konstruktiv zu arbeiten, als mal eben einen bühnenreifen Auftritt hinzulegen.
Vor allem das Gespann Lösel-Wittmann hat in letzter Zeit immer wieder Kritik einstecken müssen. Braucht es einen personellen Neuanfang?
Ich glaube, dass es uns gut täte, wenn wir insgesamt im Stadtrat einen anderen Stil pflegen würden. Es wird spannend zu sehen, ob diejenigen, die diese scharfe Zunge haben, nachher noch den selben Stellenwert und dieselbe Macht haben werden. Ich hoffe, dass beispielsweise Christian Scharpf neue Töne anschlagen wird als Achim Werner. Und dass dadurch eine andere Kommunikation möglich wird. Ich würde hoffen, dass er die Rolle des Vermittlers einnimmt, die er angeblich einnehmen kann.
Beim Sozialausschuss vor Weihnachten hat die CSU kurzfristig Sitzungsleiter Sepp Mißlbeck (UDI) durch Parteikollege Albert Wittmann ersetzt, um so die Mehrheit im Ausschuss zu erzwingen. Warum haben die Freien Wähler diese Entscheidung mitgetragen?
Das war eine Entscheidung von Peter Springl. Jeder stimmt für sich selbst. Es wäre vielleicht anders gelaufen, wenn Markus Reichhart da gewesen wäre. Aber der Markus war definitiv verhindert. Nach außen hin macht das einen schlechten Eindruck. Aber wir können daran nichts ändern. Hätte ich etwas daran ändern können, hätte ich es getan.
Finden Sie das, was da passiert ist, undemokratisch?
Grundsätzlich ist es ein ganz normaler demokratischer Vorgang, dass ein Oberbürgermeister bestimmt, wer eine Sitzung leitet.
Und moralisch gesehen?
Ich fand die Entscheidungn nicht klug. Ich hätte es nicht gemacht.
Aber moralisch vertretbar?
Ich halte es für moralisch vertretbar. Ich muss ganz klar sagen, ich hätte Herrn Bürgermeister Mißlbeck aus anderen Gründen schon vor viel längerer Zeit ausgewechselt.
Sie haben neben der AfD auch die Linken als Koalitionspartner ausgeschlossen. Weshalb?
Weil ich die Linken als ähnlich extrem wahrnehme wie rechte Gruppierungen. Wenn ich zum Beispiel in den Medien linke Demos und linke Aktivisten sehe, dann ist das gar nicht meine Welt. Ich habe ein Problem mit jeder Form von Auseinandersetzung, die in Gewalt mündet. Und was die Weltanschauung betrifft, bin ich von den Linken ganz weit entfernt. Das sind kommunistische und sozialistische Denkansätze von Kollektivformen und Verstaatlichung, davon bin ich Lichtjahre entfernt.
Können Sie sich vorstellen, Teile dieser Art des Denkens zu übernehmen oder Kompromisse damit einzugehen?
Damit tue ich mich sehr schwer. Natürlich denke ich aber darüber nach. Ich diskutiere zum Beispiel viel mit meinem Neffen über solche Themen. In manchen Punkten verstehe ich ihn auch. Er steht dem Automobil zum Beispiel sehr kritisch gegenüber. Wir haben viel darüber geredet, dass die individuelle Mobilität nicht das ist, was man ohne Grenzen fördern muss. Sondern eher das Angebot stärken, um es der breiten Masse möglich zu machen, von A nach B zu kommen. Das teile ich uneingeschränkt. Auch wenn es sich ein bisschen komisch anfühlt. Denn unsere Gesellschaft hat mindestens 70 Jahre darauf hingearbeitet, dass jeder zu jeder Zeit wann er will von A nach B fahren kann. Ich habe zum Beispiel mit meinem Wohnmobil das Problem, dass ich die grüne Plakette nicht mehr bekomme. In bestimmte Städte kann ich dadurch nicht mehr fahren. Das stinkt mir dann auch, aber das akzeptiere ich, weil es da übergeordnete Interessen gibt. Da darf der Staat sehr wohl den Einzelnen beschränken.
Es gibt also kleine Schnittmengen.
Im OB-Kandidaten-Hearing des Stadtjugendrings ist ein Satz gefallen, der mir unwahrscheinlich gut gefallen hat: „Wer mit 20 Jahren kein Sozialist ist, der hat kein Herz, wer es mit 40 Jahren noch ist, hat kein Hirn.“ Ich glaube, dass wir das Streben nach Veränderung und revolutionäre Gedanken brauchen. Das verändert auch unsere Wirtschaft. Wenn mein Neffe das Auto jetzt anders denkt als noch sein Vater, dann hat das irgendwann auch Auswirkungen, wenn er in einem Unternehmen tätig ist. Er strebt nicht nach schneller, höher und weiter, sondern schaut mehr auf Dinge wie Nachhaltikeit. Veränderungen brauchen aber eine gewisse Zeit. Wenn man es mit Gewalt durchsetzt, führt es zu Anarchie. Und dann geht gar nichts mehr. Das Ziel muss sein, dass man einen Weg auf ein Ziel in kleinen Schritten zugeht. Man darf das Endziel nicht sofort an den Anfang setzen.
Manchmal braucht es laute Menschen, die das Endziel fordern, damit sich überhaupt etwas tut.
Wir brauchen den Anschub, aber die Politik braucht eine gewisse Zeit, um die Dinge dann auch umzusetzen. Die ganzen Umweltthemen waren früher nur von den Grünen besetzt. Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, als Joschka Fischer als grüner Spinner verlacht wurde. Ich habe für ihn damals schon Sympathie gehabt. Er hat es aber zu seiner Zeit nicht geschafft, die Welt zu verändern. Mittlerweile hat sich etwas verändert. Das Gedankengut, das damals verbreitet worden ist und als revolutionär und aufständisch angesehen wurde, das ist mittlerweile in allen Parteien angekommen. Die CDU/CSU ist heute mindestens so grün wie die Grünen damals grün waren.
Hat die Fridays-For-Future-Bewegung Ihrer Meinung nach eine Daseinsberechtigung?
Ja und ich finde, dass es ein gutes Signal ist, dass sich die Jugend allgemein Gedanken macht und artikuliert. Mir ist der Hype um Greta Thunberg mittlerweile so überdreht ferngesteuert, dass es nicht mehr glaubwürdig ist. Aber die Grundintention, dass sich die Jugend zum Thema Nachhaltigkeit äußert, ist wünschenswert. Aber ich fände es schade, wenn die FFF-Bewegung ein Eigendasein entwickelt und nur neben der Politik hergeht. Die müssen schauen, dass sie in die Politik reinkommen. Nur durchs laute Schreien ist es noch nicht getan. Man kann heutzutage jede politische Partei verändern, durch Mitgliedschaft, durch aktive Mitsprache. Wenn von den Jugendlichen nur 10 Prozent Parteien beitreten, dann bewegt sich etwas.
Gehen die Freien Wähler auf diese jungen Menschen zu?
Aktiv nicht. Generell gibt es von beiden Seiten Sympathien, aber die Radikalität ist nicht die Art und Weise, wie wir denken, dass Politik gemacht wird. Deshalb gibt es ein bisschen Berührungsangst. Aber ich hätte kein Problem damit, diese jungen Menschen bei uns aufzunehmen.
Generell ist Ihnen die Verjüngung der Politik also ein Anliegen?
Ja, absolut. Ich sehe aber auch, wie schwierig das ist. Leute unter 30 tun sich generell sehr schwer damit, sich politisch zu engagieren. In jungen Jahren wandeln sich die Lebensverhältnisse noch so sehr. Und generell fehlt auch der Mut. So zum Schaden ist das nicht. Denn wir brauchen auch Mitglieder mit Lebenserfahrung. Ein Schüler kann nur Jugendthemen als Erfahrung mitbringen. Wenn jemand aber schon eine Familie hat und Berufserfahrung, dann deckt derjenige ein ganz anderes Spektrum ab und kann ausgewogenere Entscheidungen treffen. Es ist für beide Seiten wahrscheinlich besser, wenn man ein bisschen später in die Politik geht.
Was sagen Sie zu der Idee eines Jugendparlaments, das es Jugendlichen erlauben soll, in die politische Arbeit hineinzuschnuppern?
Ein Jugendparlament ist für mich der falsche Weg. Das ist eine Spielwiese. Wenn Kinder und Jugendliche Demokratie lernen wollen, dann müssen sie dorthin gehen, wo Politik und Demokratie stattfindet. Das kann man in der Schule lernen, in Vereinen, in kirchlichen Organisationen. Überall dort, wo es demokratische Strukturen gibt und man gemeinsam zu Entscheidungen kommen muss. Aber ein Jugendparlament mit 2.000 Euro Entscheidungskapital, das ist lächerlich. Was will man mit so wenig Geld entscheiden?
In anderen Städten wie beispielsweise Pfaffenhofen funktioniert es doch auch.
Dort werden ausschließlich Jugendthemen diskutiert. Am Ende gibt es dann einen Jugendvertreter, der vor dem Stadtrat die Anliegen des Jugendparlaments vorträgt.
Immerhin. So kann die Jugend sich der Politik annähern.
Aber dann nicht mit dem Anspruch, gesellschaftlich wirken zu können. Dann sehe ich es wirklich bloß als Gremium, das von außen berät. „Parlament“ hört sich natürlich toll an und weckt wahnsinning große Erwartungen. Faktisch ist es aber eine riesige Enttäuschung, weil die Mitsprache gegen Null geht. Deshalb möchte ich die Jugendlichen in den richtigen Parteien haben.
Bei vielen Jugendlichen ist wahrscheinlich die Hemmschwelle zu hoch, direkt in die richtige Politik einzusteigen.
Jugendliche sind hochgradig gefragt in den Parteien. Und es wird hochgradig darauf gehört, was sie zu sagen haben. Es gehört aber eben auch Engagement dazu. Wir müssen auch sehr viel Zeit investieren, um ein bisschen was zu erreichen. Für die Politik gibt es keine Ausbildung. Das, was wir machen, ist etwas völlig menschliches. Man lernt sich zu artikulieren, eine Meinung zu vertreten, sich eine Meinung zu bilden, im Kollektiv zu arbeiten, zuzuhören und abzustimmen.
Was würde sich unter einem OB Hans Stachel alles ändern?
Die Art und Weise, wie im Stadtrat miteinander gearbeitet wird. Weil ich ein anderes Grundverständnis davon habe, wie ein solches Gremium funktionieren sollte. Ich sehe die Rolle eines Oberbürgermeisters nicht zwingend darin, dass er immer sagt: wo ich bin ist vorne. Der OB sollte die Rolle eines Moderators übernehmen. Natürlich sollte der OB auch einmal durchgreifen dürfen. Aber mit vorgefertigten Meinungen in Diskussionen zu gehen und sie dem Gremium aufzuzwingen, das halte ich für fragwürdig. Das gilt auch für den Umgang mit den Mitarbeitern der Stadtvewaltung. Die städtischen Mitarbeiter besitzen sehr viele Kompetenzen, die man fördern und nutzen muss. Anstatt sie auf Linie zu trimmen. Ich will dem Christian Lösel das nicht absprechen, aber er hat eine starke Tendenz dazu, sehr forsch zu agieren und sehr auf seiner Meinung als wegweisend zu beharren. Führen heißt nicht immer zwangsläufig den Ton anzugeben, sondern es heißt, gemeinsam ein bestmögliches Ziel zu erreichen. Aber nicht zwangsläufig mit der vorgefassten Meinung, die ich selber habe.
Welche Projekte würden Sie vorantreiben?
Für Projekte ist der Wahlkampf dieses Mal sehr ungeeignet für alle Parteien. Weil es keine Projekte gibt, die zu einer Hop oder Top Entscheidung anstehen. Wir leben zum Glück in einer Stadt, in der wir uns die Wünsche, die wir haben, alle leisten können. Und nicht abwägen müssen. Das einzige, was uns momentan beschränkt, ist die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft. Dass wir die Dinge nicht so schnell bekommen wie wir es gerne hätten. Aber wir diskutieren nicht, ob wir Kitas bauen oder Schulen renovieren. Wir können uns das eine und das andere leisten. So lange das so ist, ist es für die Parteien schwieriger, zu polarisieren. Weil alle alles können. Wenn die Mittel knapper wären, dann würden wir in der Sache oft viel härter diskutieren.
Wir bedanken uns für das Gespräch, Herr Stachel.
Kurzgefasst: OB-Kandidat Hans Stachel (Freie Wähler)
Politiker reden viel – und gerne. Ob das auch kürzer geht? Jeder Ingolstädter OB-Kandidat durfte in einem selbstgedrehten „Wahlwerbespot“ folgende Frage für espresso beantworten: Warum sollte man Sie wählen? Einzige Vorgabe: Das Video darf nicht länger als 60 Sekunden dauern.
Hans Stachel hat 12 Sekunden überzogen: geschenkt! Dafür hat er mit dem Neuen Schloss und dem Wahlwerbegeschenk schlechthin – dem FW-Eimer in FW-Orange – für eine prächtige Hintergrundkulisse gesorgt. Da wird selbst das Stadttheater neidisch.