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Weder Gauner noch Gentleman
Thomas Herker, 1. Bürgermeister der Stadt Pfaffenhofen, im Interview mit seiner Frau
Von Stefanie Herker
Seit 16 Jahren ist mein Mann Bürgermeister von Pfaffenhofen. Er war übrigens der erste Bürgermeister der SPD in Pfaffenhofen seit dem 2. Weltkrieg. Das Anführer-Gen hat er schon in die Wiege gelegt bekommen und bereits in seiner Kindergartenzeit als Banden-Chef ausgeprägt.
Er ist bissig wie – sagen wir, wie die Pasta bei Raffaele Troisi, einem unserer Lieblings-Italiener in der Löwenstraße. Mein Mann kann reden. Er braucht kein Manuskript und er nimmt auch kein Blatt vor den Mund. Für seinen ganz besonderen „Charme“ ist er bekannt. Wenn dieser Herker nicht so unverschämt ehrlich wäre, dann würde er vielleicht in der großen Politik mitmischen. Beeindrucken kann man meinen Mann nur schwer, deswegen kocht er meistens selbst. Eine seiner Leibspeisen: Spinat mit gekochtem Ei. Fette Autos interessieren ihn nicht die Bohne. Für den kostenlosen Stadtbus erntet er viel Lob. Er wäre ein guter Verkehrsminister.
Der erste Verkehrsminister, dem man höchstens Affären sexueller Art nachsagen würde, wie das einzelne Pfaffenhofener ungerechtfertigterweise auch jetzt schon tun. Angetreten ist Thomas 2008 für ein lebendiges Pfaffenhofen. Damals sah er noch so jung aus, dass man ihm den Flutschfinger (Symbol für die anstehende bunte Koalition) auf dem Wahlplakat am liebsten gekauft hätte. Als 29-Jähriger wurde er Rathaus-Chef. Zahlreiche große Projekte liefen seither fast wie am Schnürchen, oft einstimmig im Stadtrat. Man kann ihm anrechnen, dass er bei fast allen wichtigen Entscheidungen auch die nicht-bunten-Parteien mit ins Boot geholt hat und somit der Erfolg der Stadt dem ganzen Stadtrat gebührt. Pfaffenhofen wurde zu einer liebenswerten Kleinstadt für Alt und Jung, mit kurzen Wegen, schönen Plätzen und – hipp, hipp, hurra – gemütlichen Cafés. Man setzte sich für das Wiederaufblühen des Kulturlebens ein und mit dem Bürgerpark und dem umgestalteten Hauptplatz schuf man gleichzeitig wundervolle Kulissen für Konzerte und Events unter freiem Himmel.
Zu den Meilensteinen seiner Amtszeit gehört der zeitgemäße, bedarfsgerechte Ausbau der Kinderbetreuung auf hohem Niveau mit pädagogischem Anspruch. In den Sozialen Wohnungsbau wurden über 30 Millionen investiert, das Einheimischenmodell deutlich ausgeweitet. Die Schulsport- und Vereinssportinfrastruktur wurde erneuert, Spielplätze wurden gebaut. Der Zugewinn an Grünflächen durch die Gartenschau war enorm. Der Bürgerpark, eine grüne Oase mitten in der Stadt, ist ein beliebter Treffpunkt für alle Kulturen und das neue Gerolsbad verspricht Badespaß und regionale Schmankerl – alles ist bio. Es wurden konzeptionelle Grundlagen für Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Klimawandelanpassung geschaffen, wie ein lokales Projekt zur Unterstützung der Landwirte, die Bodenallianz, welche beispielgebend für Kommunen dieser Größe sind. Auch die psychologischen Momente, wie der Gewinn des LivCom Awards und des Nachhaltigkeitspreises, die in das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger hineingewirkt haben, waren wichtig für die Stadtentwicklung. Es gab so viele Highlights, aber es gab auch ein paar Niederschläge, wie kürzlich die missglückte Umsetzung des Gewerbeparks Kuglhof ll, was meinem Mann aktuell immer noch schwer im Magen liegt. Wir sprechen deshalb nur kurz über den Kuglhof, versprochen!
Es hätte ein Gewerbegebiet mit höchsten Nachhaltigkeitsansprüchen und Platz für Zukunftstechnologien sein können
Was würdest du im Nachhinein anders machen, Thomas?
Wir hätten den Kuglhof anders angehen müssen, da war ich zu naiv. Es hätte ein Gewerbegebiet mit höchsten Nachhaltigkeitsansprüchen und Platz für Zukunftstechnologien sein können. Wir haben geglaubt, dass wir hier etwas Beispielgebendes schaffen können, das auch bei den in der Regel skeptischen Umweltverbänden und -initiativen auf Wohlwollen trifft. In dem Verständnis, dass eine Stadt hier neutral sein muss, haben wir uns ein Stück weit zurückgenommen. So haben wir den Prozess unterschätzt und die Kommunikation zu sehr der Pro- und Gegeninitiative überlassen. An dieser Stelle würde ich die Zeit gerne zurückdrehen wollen.
Die Klimakrise ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Was gibt es in den nächsten Jahren zu tun?
Pfaffenhofen steht besser da als der Bundesdurchschnitt, doch wir wollen bis 2035 klimaneutral werden und da sind die großen Herausforderungen die Mobilität und die Wärmeversorgung. Dafür gibt es einen Plan und dafür arbeiten wir zusammen mit den umliegenden Gemeinden, dem Stadtwerk und der Bürgerenergiegenossenschaft. Wir werden Veränderung brauchen und es wird nicht immer bequem sein. Die Transformation der Gesellschaft ist unabdingbar. So wie wir wirtschaften, wird das auf Dauer nicht weitergehen. Wir müssen uns ändern. Änderung muss nicht zwangsweise den vollen Verzicht bedeuten, aber Reduktion – mit Kreislaufwirtschaft, Ressourcenschonung und wir brauchen zugleich innovative Ideen und Fortschritt.
Menschen, die versuchen, die Welt ein Stück weit besser zu machen und andere Menschen auf friedliche Art und Weise mitnehmen, inspirieren mich.
Eine Säule des Verkehrskonzeptes in Pfaffenhofen ist der kostenlose Stadtbus. Wie funktioniert so etwas in Pfaffenhofen, wohl aber nicht deutschlandweit?
Wichtig ist, dass man den Menschen ermöglicht, ohne Auto oder Zweitauto mobil zu sein. In Pfaffenhofen haben wir uns entschieden, dass wir einen maßgeblichen Teil unserer Finanzen für den ÖPNV verwenden wollen, aber auch hier wird die Luft dünner und zusammen mit dem Landkreiskonzept und der Neuaufstellung des Städtischen Stadtbusses wird er vielleicht auch in Pfaffenhofen nicht dauerhaft kostenlos bleiben. Ich denke allerdings, das 49-Euro Ticket ist das geeignete Instrument, um deutschlandweit mobil zu sein. In Pfaffenhofen haben sich die Nutzer des ÖPNV durch unser Angebot vervierfacht, aber ob es prinzipiell die universelle Lösung ist, weiß ich nicht.
Was hindert uns daran, in Sachen Klimaschutz zügiger voranzukommen?
Zum einen ist dieser gesellschaftliche Konsens gar nicht so breit, wie man ihn sich wünschen müsste, zum anderen sind die Wahlen in Berlin ja alle vier Jahre und wir haben eine Koalitionsregierung, die unterschiedliche Parteien zusammenhält. Ich glaube, man braucht politischen Mut, die Leitplanken dementsprechend zu setzen, und ganz wichtig: Durchhaltevermögen. Ein Beispiel ist der Atomausstieg, der immer wieder neu diskutiert wird. Wir brauchen Verlässlichkeit, Planbarkeit und ambitionierte Vorgaben, damit sich auch die wirtschaftlichen Bedingungen anpassen können und die Infrastruktur wachsen kann. Das bedingt den Konsens ja, wir wollen das schaffen und wir werden das schaffen.
Welche Menschen inspirieren dich?
Inspirierend für mich sind vor allem Menschen, die Veränderung erzeugen, zum Beispiel Mahatma Gandhi. Ich mag Menschen, die Defizite erkennen und sie in ihrem Handlungsfeld verändern. Hermann Scheer ist Vater des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG), historisch lokal sei Anna Kittenbacher erwähnt, eine Frau, die 1871 vom Leid der einsamen Kinder auf der Straße getroffen war und die erste Kinderverwahranstalt (so nannte man den Kindergarten damals) in Pfaffenhofen eröffnete. Menschen, die versuchen, die Welt ein Stück weit besser zu machen und andere Menschen auf friedliche Art und Weise mitnehmen, begeistern mich.
Apropos friedlich. Wärst du gerne ein besserer Mensch?
Ja, wär ich. In vielen Details.
Welche Fähigkeiten hättest du denn gerne?
Bei Superhelden-Fähigkeiten wäre Fliegen ganz oben mit dabei, aber bei den etwas realistischeren Fähigkeiten, die man vielleicht auch noch erwerben kann, hätte ich gerne etwas mehr Einfühlungsvermögen und in stressigen Situationen mehr Geduld.
Ich habe davor Angst, dass es uns als Menschheit nicht gelingen könnte (…), die notwendige Transformation zu bewerkstelligen
Was hättest du gerne früher gewusst?
Wofür das leicht versetzte, letzte Loch bei den Turnschuhen ist. Das ist dafür, dass man die Schuhe komfortabel spannen kann, wenn man sie überkreuzt einfädelt. Klingt kompliziert, ist aber einfach. Im Zweifel googlen!
Google macht mir Angst. Wovor hast du Angst?
Ich habe davor Angst, dass es uns als Menschheit nicht gelingen könnte, die Probleme der Zeit und die notwendige Transformation zu bewerkstelligen und wir auf eine unfreie Gesellschaft zusteuern. Dass meine Kinder eine unsichere Zukunft haben, davor habe ich Angst. Dagegen gilt es zu arbeiten.
Die nächsten Wahlen stehen an. Wie geht es weiter?
Ich weiß noch nicht, ob ich nochmal als Bürgermeister antrete. Das muss ich erst mit dir besprechen. Und es hängt auch davon ab, ob die Pfaffenhofenerinnen und Pfaffenhofener bereit sind, sich weiterhin nachhaltig zu entwickeln und die notwendigen Schritte gehen wollen, ohne sich der Entwicklung der Stadt zu verschließen. Das Ergebnis, inwiefern die Bürgerinnen und Bürger hinter unseren Plänen stehen, was ihnen wichtig ist und wie zufrieden sie sind, werden wir durch die Bürgerbefragung erfahren, die es im Sommer dieses Jahres geben wird. Wenn mir die Bürgerinnen und Bürger den Auftrag geben, weiterzumachen, dann bin ich dazu bereit und es liegt in der Hand der Wählerinnen und Wähler.
Es hängt davon ab, ob die Pfaffenhofenerinnen und Pfaffenhofener bereit sind, sich weiterhin nachhaltig zu entwickeln
Was ist die Alternative?
Wenn ich mal nicht mehr Bürgermeister bin, trete ich vielleicht einen Schritt zurück und unterstütze dich als Teilzeit-Hausmann, aber irgendeine Aufgabe brauche ich. Egal ob Ehrenamt oder Job, ich brauche das Gefühl, gefordert zu sein, und langweilig darf es mir vor allem nicht werden. Ich hoffe, das wird es so schnell nicht.
Was hat dich die Zeit gelehrt?
Dass ich mehr auf mich Selbst achten muss. Ich arbeite keine 80 Stunden mehr pro Woche und lege mehr Wert auf Zeit mit meiner Familie. Dafür ist ein gutes Zeitmanagement nötig und ich habe mir über die Jahre ein starkes und verlässliches Team aufgebaut.
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