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„Wir gehören fest zu Ingolstadt“

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„Wir gehören fest zu Ingolstadt“

Lara-Shirin Pečjak (17) und Luke Heinemann (20) haben sich für ihre erste Legislaturperiode einiges vorgenommen

Am 29. Juni war es so weit: Das erste Jugendparlament in der Geschichte Ingolstadts erblickte das Licht der Welt. Wenig später wurden Lara-Shirin Pečjak (17) und Luke Heinemann (20) zu den beiden ersten Vorsitzenden des Parlaments gewählt. Mittlerweile ist einige Zeit verstrichen. Wie war die Startphase und wie geht es jetzt weiter? Im Interview sprechen Lara und Luke über die ersten Gehversuche des Parlaments und ihre klaren Pläne für ein jugendfreundlicheres Ingolstadt

Lara und Luke, was war für euch die Motivation, beim ersten Jugendparlament in Ingolstadt aktiv mitmachen zu wollen?

LUKE: Ich finde, dass Jugendliche in der Politik generell unterrepräsentiert sind. Mich hat das schon immer gestört. Und ich fand schon immer, dass es da etwas geben müsste. Als ich davon hörte, dass meine Mitschülerin Theresa Langer die Idee hat, ein Jugendparlament zu gründen, schloss ich mich ihr an und wir gründeten zusammen die Initiative Jugendparlament. Da ich das ganze mitgeplant habe, war für mich von Anfang an klar, dass ich dann auch kandidieren würde.

LARA: Ich persönlich hatte zwar schon durch meine Jugendorganisationen, bei denen ich Mitglied war, ein Sprachrohr, aber ich fand es schade, dass es das nicht für alle jungen Menschen in unserer Stadt gab. Mir ist wichtig, dass die Jugend als Ganzes in Ingolstadt gehört wird. Denn die Belange der Jugendlichen gehen leider immer ein bisschen unter. Indem wir jetzt konstruktiv gemeinsam an etwas arbeiten, werden wir ernster genommen. Wir sind das Jugendparlament und wir gehören fest zu Ingolstadt.

Warum ist ein Jugendparlament so wichtig?

LUKE: Junge Menschen können auch auf andere Weise Politik machen, beispielsweise indem sie mit Demonstrationen auf der Straße Themen in den öffentlichen Diskurs bringen. Das hat Fridays For Future unglaublich gut geschafft. Davor hat sich niemand für Umweltschutz interessiert und plötzlich ist jede Partei, jedes politische Event, jede Ebene mit Klimaschutz beschäftigt, das war ein riesiger Erfolg. Aber sobald das Thema im Diskurs ist, ist es für uns Jugendliche schwierig, über Demonstrationen weitere Ziele durchzusetzen. Da kommt es darauf an, dass das im Parlament entschieden wird. Ohne das Jugendparlament hat uns bisher immer dieser eine Schritt gefehlt, um Themen konkretisieren zu können.

Wie sammelt ihr die Wünsche und Anregungen der jungen Ingolstädter*innen?

LARA: Das ist ganz unterschiedlich. Zum einen kommen die Jugendlichen persönlich auf mich zu und teilen mir ihre Anliegen mit. Zum anderen machen wir Umfragen auf Social Media, weil wir dort auch viele Jugendliche erreichen.

LUKE: Es gibt auch die Möglichkeit, sich als Nicht-Parlamentarier*in in unseren Arbeitskreisen einzubringen. Daran arbeiten wir gerade und das wird auf jeden Fall ein Weg sein, um in Zukunft noch mehr Leute zu integrieren.

Erreicht ihr denn alle Gesellschaftsschichten? Oder ist das Jugendparlament in erster Linie ein Parlament der Gymnasien?

LUKE: Das ist leider das typische Problem in der politischen Arbeit. Es ist unglaublich schwierig, alle Leute zu erreichen. Bei den Bewerber*innen für das Jugendparlament gab es noch eine sehr große Bandbreite, sehr divers, auch was die Schulbildung betrifft. Aber im Jugendparlament ist jetzt größtenteils wieder das Bildungsbürgertum vertreten. Das finde ich persönlich sehr schade.

Was wollt ihr gegen dieses Problem unternehmen?

LUKE: Wir hatten bei der Wahl des Jugendparlaments beispielsweise auch viele Bewerber*innen  aus dem Pius-Viertel. Das Problem dabei war, dass sie teilweise ihre Freunde nicht mobilisieren konnten, weil sie zum Beispiel keinen deutschen Pass hatten und dadurch nicht wählen konnten. Das habe ich oft gehört. Das hat viele ausgebremst. Wir werden in Zukunft versuchen Lösungen zu finden, um auch diese Leute in unsere Arbeitskreise zu integrieren.

LARA: Mir ist es wichtig, dass wir auch die Mittel- und Hauptschulen mitnehmen, damit ein Thema wie Nachhaltigkeit eben kein Thema für Gymnasiasten und Studierende alleine bleibt. Wir haben uns auch schon überlegt, einen Stand in der Fußgängerzone zu machen, um uns dort als Jugendparlament zu präsentieren und mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen, die wir sonst nicht erreichen würden.

„Die Belange der Jugendlichen gehen leider immer ein bisschen unter“

Lara ist über den Sozialkunde-Unterricht am Katharinen-Gymnasium an die Politik herangeführt worden. Über einen Freund schloss sie sich vor zwei Jahren der Linksjugend Ingolstadt an. Ihr Plan für die Zukunft: Jura studieren und in einer Botschaft arbeiten, am liebsten in Slowenien, dem Land, aus dem ihre Familie stammt.
Luke kam über die Fronte in die Politik. Ausschlaggebend war der Auftritt des damaligen CSU-Landtagskandidaten und heutigen Landtagsabgeordneten Alfred Grob bei der U-18-Wahl. Aktuell studiert er Politik und Gesellschaft in Eichstätt. Für die Zukunft kann er sich eine Karriere im Bundesnachrichtendienst oder im Verfassungsschutz vorstellen.

Was ist in den ersten Monaten des Jugendparlaments bisher alles passiert?

LUKE: Bis jetzt sind vor allem Strukturen entstanden. Wir haben die ersten Monate genutzt, um ein stabiles Gerüst aufzubauen. Es war für die meisten von uns Neuland – auch für die Stadtverwaltung, mit der wir viele Gespräche geführt haben. Am Anfang war es schwierig, das Wissen zu synchronisieren. Denn unsere Mitglieder haben ganz unterschiedliche Vorerfahrungen. Es gibt Leute bei uns, die noch sehr neu in der Politik sind oder sich noch nie tiefgreifend mit Politik auseinandergesetzt haben. Da braucht es Zeit, das Wissen erst einmal auf einen Stand zu bringen. Wir haben die erste Flaute überwunden und können jetzt anfangen, so richtig mit unserer Arbeit als Parlament loszulegen.

LARA: An dieser Stelle auch ein großes Lob an die Stadtverwaltung, insbesondere das Jugendamt, die mit uns eng zusammenarbeiten. Wir werden immer mit einbezogen und gefragt, ob wir Vertreter*innen zu bestimmten Anlässen schicken möchten. Es ist echt toll, dass wir da so einen großen Support bekommen.

Welche Ideen konntet ihr mittlerweile schon umsetzen?

LUKE: Wir sind vor allem in unterschiedlichen Lenkungskreisen vertreten, die sich gerade zu einem wichtigen Arbeitsfeld für uns entwickeln. Wir haben zum Beispiel bei der Entscheidung über das Alkoholverbot im Klenzepark die Jugendlichen vertreten. Und wir haben die Tage der Nachhaltigkeit mitorganisiert.

LARA: Vor Kurzem hatten wir unsere erste richtige Sitzung, wo wir die ersten Anträge beschlossen haben. Alle Anträge, die gestellt wurden, wurden angenommen – unter anderem ein Safe Space für queere Menschen, Außengastronomie an der Donaubühne auch im Winter und Kulturgutscheine für Jugendliche als Anerkennung für ihre Solidarität während der Corona-Pandemie.

Fühlt ihr euch in eurer Funktion als Jung-Parlamentarier*innen von den etablierten Politiker*innen in Ingolstadt ernst genommen?

LARA: Uns nehmen alle Stadträte ernst, außer die von der AfD. Die sprechen bekannterweise nicht mit uns, weil wir in deren Augen Linksextremisten sind. Aber abgesehen davon reden alle mit uns und behandeln uns wie Gleichgesinnte.

LUKE: Es gibt wenige Jugendparlamente in Deutschland, die so stark in der Stadt verankert sind wie unseres. Was die Unterstützung durch das Hauptamt und unser jährliches Budget betrifft, sind wir eines der mächtigsten Jugendparlamente.

„Mein großes Ziel ist, dass das Jugendparlament auch in 10 oder 20 Jahren noch existiert“

Euren Wahlversprechen zufolge seid ihr euch beide einig, dass mehr in die Ingolstädter Schulen investiert werden muss. Wo seht ihr hier am meisten Handlungsbedarf?

LARA: Ein ganz großer Punkt ist, dass die Schulen in Ingolstadt nachhaltiger gebaut werden. Das ist wirklich ein großes Problem in Ingolstadt. In den Schulen sind ständig Reparaturarbeiten notwendig. Das geht nicht. Hier muss mehr investiert werden. Und wir als Jugendliche müssen mit einbezogen werden, damit etwas Gutes für uns herauskommt, denn wir sind im Endeffekt diejenigen, die einen Großteil ihrer Zeit in diesen Schulen verbringen müssen.

LUKE: Eine meiner ersten politischen Aktionen war sogar zu diesem Thema. Ich war auf dem Apian-Gymnasium und das Gebäude war wirklich eine Schweinerei. Ich habe mich dort für die Grundreinigung der Toiletten eingesetzt. Bevor man sich mit Modernisierung der Schulen auseinandersetzt, muss man zuerst diese elementaren Probleme beheben. Dass unsere Schulen in einen guten Zustand sind, dass man auf die Toiletten gehen kann, dass sie sauber sind, dass die Decken neu gestrichen werden, dass der Boden mal ausgetauscht wird. Das ist alles so elementar, dass man überhaupt nicht darüber nachdenken müssen sollte. Wenn ich in die Schule gehe, dann sollte sie schön sein. Sie sollte mir als Schüler ein heimisches Gefühl vermitteln.
Wenn ich höre, dass wir 31 Millionen Euro für die Kammerspiele und Unsummen für die Tiefgarage des Kongresszentrums ausgeben – mit diesem Geld hätten wir alle Schulen blitzblank herrichten können. Aber das eine möchte man renovieren, weil sich da das Bildungsbürgertum samstags gerne ein Theaterstück anschauen würde. Und das andere, das sind ja nur Schüler. Ingolstadt spart jedes Jahr wieder an den Schulen, anstatt einmal das Geld in die Hand zu nehmen. Das kann ich nicht nachvollziehen.

LARA: Ein wichtiger Aspekt ist natürlich auch die Digitalisierung. Früher hatten wir nicht einmal W-Lan- oder einfach nur Netz-Empfang im Haus. Erst seit diesem Schuljahr haben wir zum Glück das Bayern-W-Lan und das klappt auch sehr gut.

LUKE: Der Stadtrat spricht ja gerade über den neuen Stellenplan, in dem auch Stellen sind, die man schon zu meiner Schulzeit dringend in der Digitalisierung gebraucht hätte. Langsam aber sicher tut sich hier auch etwas.

„Eine Schule sollte mir als Schüler ein heimisches Gefühl vermitteln“

Welche Ziele würdet ihr gerne in eurer 2-jährigen Legislaturperiode erreichen?

LARA: Ganz wichtig ist mir, dass wir politische Bildung an alle Schulen bringen, damit wir alle mitziehen und jeder weiß, dass Politik ein großer Bestandteil unserer Gesellschaft ist. Und damit die Partizipation der Jugendlichen noch größer wird. Die Ingolstädter Jugend ist meiner Ansicht nach schon sehr politisiert, aber ich denke, da geht definitiv noch mehr. Ich merke nämlich schon hin und wieder, dass einige Personen überhaupt keine Ahnung haben, wie Politik in einer Stadt wie Ingolstadt eigentlich abläuft.

LUKE: Mein ganz großes Ziel ist, dass das Jugendparlament langfristig existiert. Das ist mir unglaublich wichtig, sogar fast schon wichtiger, als dass wir unsere ganzen Themen durchbekommen. Wir haben so lange auf das Jugendparlament gewartet. Es gibt Leute in der Stadt, die seit 30 Jahren für das Jugendparlament kämpfen. Jetzt haben wir es endlich. Und deswegen ist es mir wichtig, dass das Parlament auch in 10 oder 20 Jahren noch existiert.

Lara: Das sehe ich auch als unsere Hauptaufgabe als Vorsitzende des ersten Jugendparlaments. Wir müssen es so stark aufbauen und stabilisieren, dass es das Parlament auch in vielen Jahren noch geben wird und es keine einmalige Geschichte bleibt.

Lara und Luke, vielen Dank für das Interview und viel Erfolg auf eurem weiteren Weg.

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