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Gegen das Vergessen
Charlotte Knobloch ist eine der wichtigsten Stimmen der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland. Bei ihrem Besuch in Ingolstadt lobte sie die Stadt in höchstem Maße für ihre Erinnerungsarbeit.
Mit dem Tod von Esther Bejarano verstummte vergangene Woche eine der letzten großen Stimmen gegen die NS-Verbrechen für immer. Eine Stimme, die deshalb so wichtig war, weil sie den Holocaust erlebte – und überlebte. Was wird sein, wenn der letzte Zeitzeuge nicht mehr ist? Diese Frage war förmlich greifbar, als Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, im Historischen Sitzungssaal des Alten Rathauses erschien, um sich ins Goldene Buch der Stadt Ingolstadt einzutragen.
Ehrung für Ingolstädter Schüler*innen
Eine Antwort darauf zu finden, ist schwer. Wie sie aussehen kann, zeigten Schüler*innen des Reuchlin-Gymnasiums, die gestern Abend bei der Preisverleihung „Junge Historiker“ (vom Historischen Verein gestiftet) als eben solche geehrt wurden. In ihrer Recherche- und Erinnerungsarbeit gingen sie den Schicksalen von ehemaligen Reuchlin-Schülern während des Holocaust nach. Einer von ihnen Josef Gunzenhäuser, der am 01. Juli 1942 im Ghetto Theresienstadt ermordet wurde (hier sind die Recherchen nachzulesen). Eine Erinnerungstafel für alle zwölf vertriebenen und ermordeten jüdischen Schüler des Humanistischen Gymnasiums führt nun allen weiteren Schülergenerationen vor Augen, wohin Hass und Hetze führen können – und schon geführt haben.
Für diese Preisverleihung war Charlotte Knobloch als Ehrengast geladen. Kurz zuvor trug sie sich ins Goldene Buch der Stadt Ingolstadt ein, wo Oberbürgermeister Christian Scharpf vor einer kleinen Auswahl an Stadträt*innen (darunter Matthias Schickel, auch Vorsitzender des Historischen Vereins) und der Schulleiterin des Reuchlin-Gymnasium Edith Philipp-Rasch einige Worte sprach. Scharpf würdigte Knoblochs Verdienst für das jüdische Leben in Deutschland und erinnerte daran, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus – respektive deren Aufarbeitung – lange Zeit unterdrückt wurden: „Auch in Ingolstadt setzte man sich erst Jahrzehnte später mit diesem dunklen Kapitel auseinander.“
Scharpf erinnerte zudem an die kleine jüdische Gemeinde in Ingolstadt, die aus rund 100 Personen bestand. Etwa zwei Drittel davon flüchteten von Ingolstadt ins Ausland. Zur schicksalhaften Pogromnacht am 9. November 1938 seien noch 43 Juden in Ingolstadt gewesen, so der Oberbürgermeister, die sich anschließend „in alle Winde zerstreuten“. „Ein jüdisches Ehepaar hat die Nacht nicht überlebt.“ Nun läge es an den jüngeren Generationen, „dass niemals vergessen wird, was damals war.“
Anschließend sprach Charlotte Knobloch mit leiser Stimme im Historischen Sitzungssaal. Ihr Vater war Jude, ihre Mutter konvertierte zum Judentum. Charlotte Knobloch überlebte den Holocaust, weil die ehemalige Hausangestellte ihres Onkels sie mit auf den Bauernhof ihrer Eltern nahm und dort als ihr uneheliches Kind ausgab. Bereits seit 1985 ist Knobloch Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern und eine der wichtigsten Stimmen für jüdisches Leben in Deutschland.
Für die Erinnerungsarbeit in Ingolstadt war sie voll des Lobes – sowohl von Seiten der Stadt, als auch von Seiten der Schüler*innen des Reuchlin-Gymnasiums. Es freue sie, mit „welcher Begeisterung, welcher Genauigkeit und welchem Gefühl“ sich junge Menschen diesem Thema widmeten. „Wir brauchen das für die Zukunft“, sagte sie und wünschte sich, dass sie das, was sie in Ingolstadt erlebt, auch in anderen bayerischen Städten erlebt hätte. Dass Charlotte Knobloch in anderen Städten ganz andere Erfahrungen gemacht hat, war hier deutlich zu spüren. Dieser Punkt fand sich später auch in ihrem Eintrag im Goldenen Buch wieder.
„Es ist sehr wichtig, dass junge Menschen die Vergangenheit unseres Landes kennen und auch wissen müssen, was Menschen Menschen angetan haben und antun können“, mahnte sie und schloss mit folgenden Worten: „Wir erleben zur Zeit manches, wovon ich nie gedacht hätte, dass ich es noch erleben werde. Aber wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. Wir wissen, dass die Demokratie etwas ist, was wir schützen, was wir hüten müssen.“ Die Demokratie sei immer noch der große Bestandteil unseres Landes.
Was also wird kommen, wenn der letzte Zeitzeuge für immer verstummt? Oder sollte die Frage eher lauten: Was wird jeder Einzelne von uns tun, wenn der letzte Zeitzeuge für immer verstummt ist? Übernehmen wir Verantwortung? Oder lassen wir es wieder geschehen?
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