Suche
Close this search box.

„Wir haben gemerkt, dass wir mit weniger glücklicher sind“

Home » „Wir haben gemerkt, dass wir mit weniger glücklicher sind“

„Wir haben gemerkt, dass wir mit weniger glücklicher sind“

Marina und Eugen aus Ingolstadt haben dem Plastik den Kampf angesagt. Während der Pandemie gründeten sie deshalb ihren eigenen Onlineshop palmint, wo sie plastikfreie Alternativ-Produkte in erster Linie fürs Badezimmer verkaufen. Im espresso-Interview sprechen sie über den Moment des Umdenkens, den Weg zum eigenen Shop und das Tabuthema Monatshygiene.

Marina und Eugen, immer mehr Menschen streben so wie ihr ein umweltbewussteres Leben an. Wann hat es bei euch „Klick“ gemacht?
Das Bewusstsein hat sich in den letzten 3 Jahren bei uns eingeschlichen.
So richtig „Klick“ hat es auf unserer mehrmonatigen Südost-Asien-Reise Ende 2019 gemacht. Als Backpacker fokussierst du dich automatisch auf das Wesentliche, denn für mehr hast du keinen Platz und auch keine Energie, unnötige Dinge mitzuschleppen. Wir haben gemerkt, dass wir mit weniger materialistischem Ballast leichter reisen und damit auch einfach glücklicher sind, daher wollten wir diesen minimalistischen Lebensstil auch in unseren Alltag integrieren. Wir haben uns immer schon gefragt, warum Produkte doppelt und dreifach in Plastik verpackt werden müssen und dieses Ausmaß haben wir erst recht auf der Reise gesehen. Jeder schaut sich gerne die perfekt gefilterten Instagram-Bilder an, doch kaum jemand zeigt gerne die Schattenseiten hinter den Kulissen. Wenn sich die Müllberge am Strand und Straßenrand türmen, blutet uns jedes Mal das Herz, weil wir wissen, dass diese Müllberge ohne viel Aufwand reduziert werden könnten.
Wir hatten aber auch ein sehr positives Erlebnis, als wir auf einem Markt zufällig den Zero-Waste-Stand eines philippinischen Start-ups entdeckten. Das zeigt, dass auch dort der Trend immer mehr in Richtung Plastikmüll-Reduktion geht.

In welchen Bereichen hat sich euer Alltag verändert, seit ihr mehr Wert auf Nachhaltigkeit legt?
Die größte Veränderung gab es auf jeden Fall in unserem Badezimmer, weil man hier super einfach auf Plastik verzichten kann. Unser Ziel ist ein komplett plastikfreies Badezimmer. Aber auch in der Küche haben wir vieles verändert, wir achten beim Einkaufen darauf, auf unnötige Plastikverpackungen zu verzichten. Wenn wir unterwegs sind haben wir immer unsere eigene Trinkflasche dabei. Beim Packen unserer Reiserucksäcke sparen wir nicht nur an Einwegprodukten und somit Müll sondern auch viel Gewicht ein.

es fällt uns Menschen generell schwer, etwas zu verändern, was wir ‚schon immer so gemacht haben‘

Backpacker: Marina und Eugen sind am liebsten mit dem Rucksack unterwegs. Auf ihren Reisen ist ihnen bewusst geworden, wie viel unnötigen (Plastik-)Ballast sie eigentlich mit sich herumschleppen.

Gibt es Menschen, Bücher oder Filme, die euch auf eurem Weg in ein plastikfreies Leben besonders inspirieren?
Marina: Ja, meine Schwester. Sie und ihr Mann leben mit ihren drei Kids in der Schweiz und achten seit mehreren Jahren auf ein bewusstes, nachhaltiges Leben. Von Stoffwindeln über plastikfrei bis hin zum eigenen Obst- und Gemüseanbau im Garten, haben sie nie versucht, uns ihren Lebensstill aufzuzwängen, sondern waren immer ein Vorbild, was uns unterbewusst dazu inspiriert hat, unsere Gewohnheiten zu verändern.
Auf unserer Reise haben wir das Buch „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“ gelesen. In diesem Buch geht es zwar nicht um ein plastikfreies Leben, sondern um kurze Geschichten, die einen tagelang zum Nachdenken anregen und das Bedürfnis auslösen etwas zu verändern. Die Sichtweise wurde mit den Eindrücken auf unserer Reise bestärkt und wir haben gemerkt, dass wir mit weniger glücklicher sind. 

Bei welchen Dingen fällt es euch noch schwer, auf Plastik zu verzichten?
Für uns stellen Produkte wie Sonnencreme, Katzenfutter sowie Joghurt- und Frischkäse-Verpackungen definitiv eine Herausforderung dar.
Die Bloggerin Anne-Marie Bonneau bringt es auf den Punkt, wenn sie sagt „Wir brauchen nicht eine Handvoll Leute, die Zero Waste perfekt umsetzen. Wir brauchen Millionen von Menschen, die es unperfekt machen!“

Kürzlich ist euer eigener Onlineshop „palmint“ online gegangen. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, aus eurer Leidenschaft für Plastiksparen einen eigenen Onlineshop zu machen?
Mit dem Umdenken haben wir einiges in unserem Leben verändert und gelernt, dass man mit wenig Aufwand Müll einsparen, etwas für seine Gesundheit und die Umwelt tun kann.
Zudem kommt hinzu, dass viele herkömmliche Produkte schädliche Inhaltsstoffe beinhalten und die meisten Menschen gar nicht wissen, dass dem so ist. Mit unserem Onlineshop möchten wir eine Plattform bieten und aufzeigen, dass man bei nachhaltigen Artikeln keine Abstriche machen muss und es sogar unkompliziert sein kann auf die „falschen Inhaltsstoffe“ zu verzichten und Plastik zu reduzieren. 

Welche Produkte gibt es bei euch im Shop und worauf legt ihr besonders Wert bei der Auswahl der Produkte?
Generell bieten wir nur Produkte an, von denen wir selber überzeugt sind und die wir bereits selbst benutzen oder getestet haben. Besonders wichtig ist es uns, dass die Produkte keine schädlichen Inhaltsstoffe enthalten. Mit unserem Sortiment versuchen wir unsere Mission „plastikfreies Badezimmer“ zu verwirklichen.
In unserem Shop findet man Artikel wie feste Shampoos, feste Hand- und Duschseifen, Deos am Stück oder als Creme, feste Bodylotion aber auch Artikel für die tägliche Mundhygiene wie Zahnputz Tabs, Mundziehöl, Mundspülung sowie Zahnbürsten und Zahnseide-Sticks aus Bambus.
Zudem haben wir für die Ladys Menstruationstassen und Zubehör aber auch Fair Fashion aus der Schweiz wie etwa Bio-Woll-Leggings.

Marinas und Eugens 5 Tipps zum Plastiksparen

1 Wiederverwendbare Wattepads aus Stoff

Für eine nachhaltigere Abschminkroutine. Wiederverwendbare Wattepads bestehen aus Baumwolle, Polyester oder Bambus und können einfach nach dem Gebrauch gewaschen werden.

2 Shampoos, Hand- und Duschseifen am Stück

Für viele die „Einstiegsdroge“ in ein plastikfreieres Leben. Feste Seifen und Shampoos sind nicht nur umweltschonend, sondern auch schonender für die Haut als ihre chemischen Pendants.

3 Dauerbackmatten statt Backpapier

Dauerbackmatten sind die sinnvolle Alternative zu Backpapier. Sie sind stabil, verrutschen nicht und lassen sich nach Gebrauch einfach abwaschen.

4 Ätherische Öle statt Weichspüler

Statt zum herkömmlichen Weichspüler aus der Plastikflasche zu greifen, kann man ganz einfach ätherische Öle verwenden. Sie wirken pflegend und geben der Wäsche auch noch einen frischen Duft nach Wahl

5 Wetbags für nasse Klamotten

Besonders praktisch auf Reisen als Ersatz für die obligatorische Plastiktüte.

Marina, du bist seit kurzem Beraterin für moderne Monatshygiene. Was kann man sich darunter genau vorstellen?
Heutzutage gibt es tolle Möglichkeiten, die Menstruation unkomplizierter zu gestalten. Ich biete Aufklärung über die Alternativen zu herkömmlichen Wegwerf-Periodenprodukten an und zeige, wie man gleichzeitig seine Gesundheit, die Umwelt und den Geldbeutel schont.

Warum ist es dir ein Anliegen, anderen Frauen bei diesem Thema behilflich zu sein?
Die Entscheidung, herkömmliche Wegwerf-Artikel aus meiner Routine zu verbannen, hat mir meine Menstruation um ein Vielfaches vereinfacht, denn ich spare nicht nur Müll und Geld, sondern achte dabei auch auf meine Gesundheit und fühle mich viel wohler damit.
Da einige Frauen zu wenig über die Produkte, die sie verwenden und ihre Inhaltsstoffe wissen, und die wenigsten die modernen Alternativen kennen, möchte ich das Thema vorantreiben und mehr Frauen dazu ermutigen, Alternativen auszuprobieren. Aufklärung ist so wichtig, besonders für junge Mädchen, die kaum Aufklärung bekommen.

Die Menstruation ist eines der letzten großen Tabuthemen in unserer Gesellschaft. Kannst du dir erklären, warum und wie kann man das ändern?
Früher glaubten die Menschen, dass die Menstruation etwas Mystisches oder sogar etwas Unreines ist. Ich denke, es fällt uns Menschen generell schwer, etwas zu verändern, was wir „schon immer so gemacht haben“. Wir sind über Jahrhunderte damit aufgewachsen, uns für unsere Periode zu schämen und nicht offen darüber zu sprechen, sondern eher heimlich zu menstruieren.
Wir können es ändern, indem wir selbst offen darüber sprechen und andere dazu ermutigen, es ebenfalls zu tun, denn es ist normal und schon lange kein Tabu mehr, sondern ein natürlicher, gesunder Vorgang des Körpers.

„Wir sind über Jahrhunderte damit aufgewachsen, uns für unsere Periode zu schämen“
Kein Tabu: Als Beraterin für moderne Monatshygiene kennt sich Marina bestens mit den Alternativen zu Tampons und Binden aus

Worauf sollte man achten, wenn man auf die moderne Monatshygiene umsteigt? Welche Tipps hast du für Anfängerinnen?
Nehmt euch bitte Zeit und seid geduldig beim Ausprobieren, beschäftigt euch mit den unterschiedlichen Produkten, um herauszufinden, was zu euch passt und holt euch Tipps von denjenigen, die es bereits verwenden. Als ich auf Menstruationstassen umgestiegen bin, habe ich mehrere Anläufe gebraucht, die sich über einige Zyklen gezogen haben, bis ich den Dreh raus hatte.

Was sind die Vorteile von Menstruationstassen?
Eine Menstruationstasse kann über mehrere Jahre wiederverwendet werden und muss nicht jeden Monat neu gekauft werden. Sie schont somit den Geldbeutel und die Umwelt. Außerdem kann sie bis zu 12 Stunden getragen werden, was das Ganze angenehm unkompliziert macht.

Gibt es auch andere Möglichkeiten außer Menstruationstassen, die du empfehlen würdest?
Es gibt mittlerweile so viele tolle Produkte. Besonders toll finde ich neben der Menstruationstasse zum Beispiel Menstruations-Schwämme, Periodenunterwäsche oder Baumwoll-Binden und Baumwoll-Slipeinlagen.

Kommen wir zurück zu palmint. Kann ein Onlineshop überhaupt nachhaltig sein oder anders gefragt, wie sorgt ihr dafür, dass die Lieferungen keinen allzu großen ökologischen Fußabdruck hinterlassen?
Wir verpacken unsere Ware für den Versand 100% plastikfrei. Außerdem liefern wir innerhalb Ingolstadt und Umgebung die Bestellungen klimaneutral mit dem Fahrrad aus.

Was sind eure Pläne für palmint, wo würdet ihr gerne in 5 Jahren stehen?
Für die Zukunft möchten wir gerne mehr Leute dazu inspirieren, Plastik zu reduzieren und auf nachhaltige Produkte umzusteigen. In 5 Jahren würden wir uns gerne als einen der Händler zum Thema Nachhaltigkeit für die Region Ingolstadt sehen.

Marina und Eugen, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg auf eurem weiteren Weg.

Exklusiv für espresso-Leser*innen: Mit dem Code „espresso10“ gibt es 10 % Rabatt auf alle Produkte im palmint-Onlineshop. Gültig bis 30.06.2021.

Weitere Infos über palmint gibt es hier:
Weitere Themen

Einfach magisch

Von der Reiseinfluencerin zur Kinderbuchautorin. Diesen Weg beschritt die gebürtige Ingolstädterin Mella Lisitano. Im Dezember erscheint ihr Erstlingswerk „Der magische Reisekoffer“ im Zwergenstark-Verlag.

Weiterlesen »

The Challenger

Seit der Gründung des Vereins vor 20 Jahren ist Peter Jackwerth Präsident des FC Ingolstadt – nun fordert ihn der ehemalige National- und Bundesligaspieler Christian Träsch heraus. Seine Ziele: die Schanzer in die 2. Bundesliga führen und wieder eine Identifikation der Stadt und der Bevölkerung mit dem Verein schaffen.

Weiterlesen »

Kern oder Lösel? Entscheidung in Sicht

Die CSU Ingolstadt nominiert am 19. November ihren Kandidaten für die bevorstehende Oberbürgermeisterwahl. Christian Lösel oder Michael Kern? Das entscheiden dieses Jahr die Parteimitglieder selbst.

Weiterlesen »

Georgianum: Dornröschenschlaf dauert an

Das Jahresende naht und noch sieht es vor Ort nicht so aus, als würde das Georgianum bald in vollem Glanz erstrahlen können. Der Eindruck täuscht nicht, wie eine espresso-Anfrage bei der Stadt ergab.

Weiterlesen »

Fotogalerie: Jazz in den Kneipen 2024

„Jazz in den Kneipen“ bringt jährlich eine besondere Atmosphäre in die Ingolstädter Innenstadt, wenn Bars und Kneipen zu kleinen Jazz-Bühnen werden. Auch espresso war unterwegs: in Griesmüllers Altstadtbrauerei, in der Neuen Welt, im Diagonal, im Mo und im Weinraum.

Weiterlesen »

Lorem ipsum dolor sit amet, consectetur adipiscing elit. Ut elit tellus, luctus nec ullamcorper mattis, pulvinar dapibus leo.

Nach oben scrollen